: Nix als Anschluß unter dieser Nummer
■ Seit drei Monaten ein bißchen guerillamäßig im Dienste der Verständigung: das Media Access Bureau bzw. M.A.B.
Wem wird's je gelingen, das Media Access Bureau in seiner Ganzheit zu würdigen? Erstens haben wir da gerade mal neun Leutchen aus dem Künstlervolk, zweitens in einer Ecke einen Haufen von Elektrogeräten von der Faxmaschine bis zum Bildtelefon, drittens die Idee, daß hierzu doch alle Menschenskinder Zugang bzw. Access haben sollten, und viertens ist das M.A.B. aber auch eine schlechtgehende Kneipe in der Ritterstraße, Hausnummer 21, mit einer gewissen Vorgeschichte.
Denn wenn damals dem Rolf Ahlers, der auch noch die Capri- Bar hat, nicht andauernd die ruhebedürftigen Ritterstraßennachbarn aufs Dach gestiegen wären, wer weiß. Jedenfalls kriegten sie's fertig, daß seit einem halben Jahr um zehn Uhr abends Ruhe zu herrschen hat, und weil sowas einem ehrlichen Gastwirt das Leben gar zu sauer macht, begann eine ganz andere Geschichte: Ein paar Künstler aus dem szenebekannten Atelier in der Sophienstraße ergriffen die Gelegenheit und stiegen ein.
Jetzt arbeiten sie dort zu neunt und rundum „for nothing“, wie Stefan „Stoe“ Doepner sagt. Um vier machen sie auf, um neun kommen die ersten Leute, um zehn müssen sie wieder raus; kein Wunder, daß bei den Künstlern nach drei Monaten in ihrer neuen Wirkungsstätte schon ein Minus von gut zehntausend Mark aufgelaufen ist.
Aber alles halb so tragisch, denn erstens „haben wir jetzt eh keine Zeit“, sagt Tobias Lange, weil das M.A.B. ist grad hellauf beschäftigt mit der multimedialen Ausstellung von Arleen Schloss in der Städtischen Galerie. Zweitens haben sie alle wenigstens ihr Essen hier, drittens sowas wie einen Salon für Gott und die Welt und viertens im Hinterzimmer immer noch eine Ecke übrig: Diese Ecke ist das Media Access Bureau im engeren Sinne.
Unter dem M.A.B. im engeren Sinne haben wir uns zwei, drei Computer vorzustellen, einen Fernseher, acht Videorekorder, ein paar Kameras, Faxmaschinen, jede Menge Krimskrams und die Einladung, wer auch immer möge was auch immer damit anstellen. Das ist umso freundlicher, als es die Künstler das vorletzte Hemd gekostet hat; ein jeder brachte seine Besitztümer von zuhause mit, die Kamera der Freundin und im Eventualfalle übriges Geld noch obendrein.
Trotzdem langt es nicht, und die Telekom, die immerhin vier Bildtelefone spendiert hat, droht schon wieder kaltblütig, die erste von drei Leitungen zu sperren. Und jetzt, wo in der Städtischen Galerie an den Geräten des M.A.B. bspw. munter herumgefaxt werden kann, wird das Geld noch schneller knapp. Aber auch in die Ritterstraße kommen immer wieder Leute und wollen mal eben ans Bildtelefon oder auch nur ein Flugblatt machen.
Dem M.A.B. ist es recht, das ist sein Daseinszweck. „Wir verschaffen Zugang zu diesen Medien“, sagt Stefan Doepner, „möglichst preiswert und möglichst einfach.“ Daß den meisten Leuten gar nichts einfällt, wenn man sie vor einen Zugang stellt, ist dem M.A.B. wohl bewußt. Nicht umsonst hat das Grüppchen während der letzten documentaein wenig bei der Piazza Virtuale mitgemischt, wo sich alle Welt ins Fernsehen einklinken konnt, nur um dann „Hallo? Hallo?“ in die Leere des Datenraumes zu rufen. „Das ist ja klar“, sagt Tobias Lange, „wenn die Leute nicht gewohnt sind, Zugriff zu haben, reagieren sie natürlich erst mal wie die Neandertaler“.
Damit sich das ändert, hält das M.A.B. nicht nur seinen Gerätepool bereit, es organisiert auch Veranstaltungen, bei denen man ein bißchen Lust aufs Einsteigen kriegt. Derzeit liegt der Schwerpunkt in der Städtischen Galerie, wo man z.B. demnächst zusammen mit mehreren Künstler weltweit ein Bild basteln kann, und zwar per Fax und sozusagen im Kreisverkehr.
Ist aber das Faxen nicht eine Technik, die eh schon allen zugänglich ist? „Doch nur im Business!“ sagt Stefan Doepner. Aber es ist schon unter den Problemen des M.A.B. eines der größeren, daß man sich schlecht an die Spitze der Volksmassen setzen kann, wenn man selber bloß die einfachsten Geräte hat. „Einen schnelleren Computer bräuchten wir auf jeden Fall“, sagt Tobias Lange, „das hat hier alles seine Grenzen“.
Wer weiß, vielleicht kommt unverhofft mal ein bißchen Geld ins Haus. Das M.A.B. ist jedenfalls beharrlich hinter Sponsoren her; und wie nebenbei entstehen manchmal Videos, mal eins für die Hiphopper von Saprize, mal eins über Drogen oder den Autowahn; kann gut sein, „daß wir auch mal so'n scheiß Werbeclip machen würden für Geld“, sagt Tobias Lange.
Das will aber auch erst mal alles gelernt sein. Die meisten Mitglieder des M.A.B. sind ja doch noch hauptamtlich als Künstler und nicht als Techniker tätig. Schon um den Roboter aus sieben Scheibenwischermotoren zu programmieren, den sie neulich gebaut haben, mußten sie tatsächlich „ein paar Worte Basic lernen“.
Manfred Dworschak
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