Häuslebauer gegen Architekturpreisträgerin

■ Professorenriege überstimmt im Fachbereich Architektur der TU alle Vetos, um ihren Berufsvorschlag durchzusetzen

Berufungsfragen sind Machtfragen, und die Macht haben die Professoren. Das wird gerade wieder am Fachbereich Architektur der Technischen Universität deutlich. Für den ausscheidenden Ludwig Christians wird ein Nachfolger auf die Professur für „Planen und Bauen in Entwicklungsländern“ gesucht. StudentInnen und AssistentInnen setzen auf Innovation. Sie wollen, daß eine Frau auf den Lehrstuhl berufen wird, die einschlägige Erfahrungen mit Entwicklungsländern hat und für ihre Arbeit in Japan einen Architekturpreis erhalten hat. Doch die Professoren des Fachbereichs haben Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) eine Berufungsliste zugestellt, auf der ein richtiger, weil bauender Architekt die erste Stelle einnimmt. Nun gibt es Streit am Ernst-Reuter-Platz.

Die Professoren bügelten nämlich mit ihrer Mehrheit zwei Vetos gegen ihre Berufungsliste nieder. Die Frauenbeauftragte hatte ihren Protest eingelegt, weil eine mindestens gleichqualifizierte Frau benachteiligt werde. AssistentInnen und StudentInnen versuchten mit dem seit 1991 möglichen suspensiven Gruppenveto die Professoren zum Überdenken ihrer Liste zu bringen. Ohne Erfolg. Weiterhin nimmt bei ihnen ein Architekt Platz eins ein, die zweite Stelle haben sie ganz freigelassen, auf dem dritten Platz folgt die Frau. Der Architekt zieht seine Dritt-Welt- Erfahrungen hauptsächlich aus Arbeiten mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Bei manchem nichtgouvernementalen Entwicklungshelfer ist die GTZ wegen ihrer staatsnahen Projekte nicht gut angesehen.

Fachlich ist der Streit nicht mehr zu klären. Jörn-Peter Schmidt- Thomsen, Chef der Berufungskommission, schreibt dem männlichen Bewerber die besseren Qualifikationen zu. Und die Studenten beschweren sich, daß die Fähigkeiten der von ihnen favorisierten Kandidatin mit unfairen Methoden herabgewürdigt wurden. Bis zuletzt sei im Fachbereich schlicht die Autenthizität der Arbeiten Schaurs in Zweifel gezogen worden. Welchen Wert die Argumente angesichts professoraler Machtfülle haben, ist die andere Sache. „Was wollen sie“, sagte Schmidt-Thomsen der taz, „es gab eine Mehrheit für die Professorenliste. In der Demokratie ist das eindeutig.“ Daß die absolute Mehrheit staatlich garantiert ist, quittiert der Architekt mit einem lapidaren „nach dem Gesetz sowieso“.

Die Berufungsliste scheint ein klarer Fall des universitären „Krähenprinzips“ zu sein: Tust du mir nichts, tu ich dir nichts. Die automatische professorale Mehrheit stören auch Abweichler kaum, denn die wollen bei der nächsten Berufung ja „ihre“ Kandidaten durchbringen. Dennoch erzielten die Studenten mit ihren Argumenten einen Erfolg. Der Akademische Senat (AS) der Universität stimmte anders als der Fachbereichsrat Architektur und unterstützte überraschenderweise klar das Minderheitenvotum der Studenten mit der Frau auf Listenplatz 1. Die Kandidatin habe, so äußern sich AssistentInnen und StudentInnen, in ihrem Berufungsvortrag ein weiteres Verständnis von „Entwerfen“ als der „richtige Architekt“ erkennen lassen. Die Architektin und Wissenschaftlerin bringe durch ihre Zusammenarbeit mit einer indischen Universität für das Gebiet „Entwerfen, Planen und Bauen in Entwicklungsländern“ internationale Erfahrung mit. Außerdem könne sie durch ihre Arbeit Lehre und Forschung besser verbinden, sie reduziere „Entwerfen“ nicht auf „das Lösen von Bauproblemen“.

Professor Jörn-Peter Schmidt- Thomsen wertet das Votum des Akademischen Senats als „politische Geste“. Dessen „Fachverstand geht gegen null“. Gewurmt hat die Professoren die AS-Entscheidung dennoch. Und das, obwohl der AS nur das Recht hat, Stellung zu nehmen – ganz ohne Einfluß. Die Dreierliste liegt indes bei Wissenschaftssenator Erhardt. Wie die taz erfuhr, wird er keine Berufung aussprechen, ehe der AS sein abweichendes Votum erneut begründet hat. Christian Füller