VW-Vorbild für Berlin

■ DGB bläst Rückenwind für Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst / Diskussionszirkel der Arbeitssenatorin

Die Arbeitszeitverkürzungen des VW-Konzerns ohne vollen Lohnausgleich seien teilweise auch auf den öffentlichen Dienst übertragbar. Diese Position erläuterte Hartmut Seifert vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) des DGB während der von der Berliner Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) initiierten Veranstaltung „Das VW- Modell in der Debatte“.

Die Senatorin erhielt am Mittwoch abend damit den von ihr erhofften Rückenwind, um die Diskussion über die Arbeitszeitverkürzung in der Berliner Verwaltung voranzubringen.

VW und die IG Metall hatten Ende 1993 eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit für alle Beschäftigten auf 28,8 Stunden ausgehandelt (Viertagewoche). Zusätzlich sollen arbeitsfreie Blockzeiten von mehreren Monaten pro Jahr vereinbart werden, während derer die Beschäftigten sich weiterbilden.

Vor dem Hintergrund, daß in Berlin 25.000 Stellen im öffentlichen Dienst akut gefährdet sind, verwies Hartmut Seifert vom WSI auf bereits praktizierte Arbeitszeitverkürzungen im öffentlichen Bereich, die dem VW-Modell vergleichbar seien. Um Entlassungen zu verhindern, hatte das Land Brandenburg im April 1991 die Stundenzahl und die Gehälter der LehrerInnen auf 80 Prozent reduziert.

Wichtigstes Prinzip der Arbeitszeitverkürzung sei jedoch die Sozialverträglichkeit, schränkte Seifert die Übertragbarkeit des VW-Modells ein. Wegen höherer Löhne könnten VW-Arbeiter und LehrerInnen auf einen Teil ihres Gehaltes verzichten, nicht jedoch die unteren Lohngruppen des öffentlichen Dienstes, in denen wesentlich weniger verdient werde. Im Hinblick auf die kleinen Einkommen bezeichnete Hartmut Seifert eine Reduzierung der Arbeitszeit um drei Stunden pro Woche als „sozial verkraftbar“.

Bei VW werden Arbeit und Lohn um mehr als das Doppelte verringert.

Gute Aussichten räumte der DGB-Wissenschaftler der Einführung arbeitsfreier Blockzeiten analog zum VW-Modell ein. So hatte ein von Arbeitssenatorin Christine Bergmann in Auftrag gegebenes Gutachten vorgeschlagen, zwei Jahren Arbeit eine dreimonatige Pause folgen zu lassen. Die damit verbundene Lohnsenkung um neun Prozent sei sozial verträglich, so Senatorin Bergmann.

Kurz vor der Diskussionsveranstaltung am Mittwoch abend hatte Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) der Einführung einer Viertagewoche im Berliner öffentlichen Dienst per Presseerklärung eine Absage erteilt.

Grundsätzlich äußerte Heckelmann jedoch die Bereitschaft, über andere Formen der Arbeitszeitverkürzung zu reden und „Arbeitszeit umzuverteilen“. Ein Signal, das bei Arbeitssenatorin Christine Bergmann Hoffnungen weckte: Heckelmann gilt gemeinhin als Bremser in der Diskussion um Arbeitszeitverkürzungen. Hannes Koch