■ Ein bescheidenes Plädoyer für den Abriß der Bauministerin
: Bei ihr wäre uns jeder Anlaß recht

Mittlerweile steht das Wasser nicht nur im unterspülten Torso des Bonner „Schürmann-Baus“, sondern auch Irmgard Schwaetzer bis zum Hals. Die Bundesbauministerin ist dafür verantwortlich, daß das ursprünglich für die Bundestagsabgeordneten gedachte Gebäude in souveräner Ignorierung des Umzugsbeschlusses weitergebaut wurde. Darüber hinaus wurde, um Fakten gegen die grausame Verschleppung kurz vor die polnische Grenze zu schaffen, das Projekt in solcher Eile aufbetoniert, daß auch beim Hochwasserschutz gnadenlos gepfuscht wurde.

Nach der Hochwässerung des Skandalbaus hat Irmgard Schwaetzer jene ebenso klassische wie phantasielose Taktik gewählt, mit der die allermeisten Politiker Rücktrittsforderungen beantworten. Zunächst spielte sie den Skandal herunter, dann präsentierte sie die Bundesbaudirektion und deren Präsidentin Barbara Jakubeit als Verantwortliche des kostenträchtigen Debakels. Daß diese Schuldzuweisung für zu erwartende Prozesse um Regreßansprüche gegen Baufirmen die Bundesbaudirektion in eine denkbar ungünstige Position bringt, hat die liberale Karrieristin nicht interessiert. Es sind schießlich nur Steuergelder, die verschwendet werden. Auf die Mehrung ihres privaten Vermögens verwendet die Bauministerin, wie bei dem Affärchen um die Eigenbedarfskündigung ihrer Eigentumswohnung deutlich wurde, mehr Mühe.

Etwas Positives hat der mißratene Befreiungsschlag Schwaetzers allerdings, lenkt er endlich einmal die öffentliche Aufmerksamkeit ein wenig auf die Bundesbaudirektion. Bei dieser handelt es sich um eine Behörde, deren Bekannntheit im umgekehrt proportionalen Verhältnis zu ihrer grandiosen Fähigkeit bei der Verschleuderung von Steuergeldern steht. Was diese Institution sich allein beim Bau von Botschaftsgebäuden in aller Welt an Fehlleistungen erlaubt hat, könnte ein gutes Dutzend Spiegel-Spürhunde über Monate beschäftigen. Im Vergleich zur beständig vom Korruptionsverdacht umwehten Bundesbaudirektion ist beispielsweise das Bundesgesundheitsamt, das in diesen Monaten zerschlagen wird, ein Hort der Seriosität und Kompetenz. Daß diese Behörde im Rahmen des Regierungsumzuges Milliarden und Abermilliarden nahezu unkontrolliert ausgeben kann, müßte nicht nur Mitarbeitern diverser Rechnungshöfe schlaflose Nächte bereiten. Eine radikale Reform, wenn nicht gleich die Abwicklung der Bundesbaudirektion ist fällig. Die wäre allerdings nicht mehr die Aufgabe Irmgard Schwaetzers, sondern die ihrer Nachfolgerin oder ihres Nachfolgers.

Es sollte dieser Zeitung nicht als Frauenfeindlichkeit angelastet werden, wenn wir bescheiden für den sofortigen Abriß der Bauministerin plädieren. Ihre geringfügigen Kenntnisse der Bauwirtschaft sollten angesichts der üblichen Nichtqualifikation von Ministern in Sachfragen nicht den Ausschlag geben. Der gravierendere Vorwurf bezieht sich darauf, wie asozial die Politik ist, die von ihren Referenten, Parteifreunden und Lobbyisten konzipiert und gesteuert wird. Irmgard Schwaetzer ist schlicht eine Agentin der Grundbesitzer, die sich kaum Mühe gibt, ihre konsequente Interessenpolitik für Spekulanten, Immobilienhaie und Baumafiosi sozial zu verbrämen. Sie ist nicht nur für den eklatanten Wohnungsmangel und die Explosion der Mieten besonders in den westdeutschen Großstädten verantwortlich; bei ihr können sich all jene Ostdeutschen bedanken, die durch die Mietsteigerungen auf das Sieben- bis Zehnfache seit Oktober 1991 sozial marginalisiert werden.

Ihr Rücktritt ist vor diesem Hintergrund aus ganz anderen Gründen als dem Skandal um die Bonner Wasserruine schon zu lange überfällig. Doch wie schon im Falle des Verkehrsministers Krause, der nicht über seine, ökologisch betrachtet, kriminelle Verkehrspolitik, sondern über sein unzügelbares Erwerbsstreben stürzte, ist uns auch bei Irmgard Schwaetzer jeder Anlaß recht. Michael Sontheimer