Öresundbrücke steht nach wie vor in Frage

■ Schwedische Regierung verschiebt die endgültige Entscheidung erneut

Stockholm (taz) – Schwedens Regierung hat gestern den endgültigen Beschluß über den Bau einer Brückenverbindung zwischen Dänemark und Schweden über den Öresund erneut verschoben. Das Baukonsortium wurde aufgefordert, neue Pläne vorzulegen, die das Projekt so abändern, daß damit keine Beeinträchtigung des Wasserdurchflusses aus und in die Ostsee mehr verbunden ist. Faktisch dürfte dies bedeuten, daß die Regierung Bildt vor den Parlamentswahlen im September nicht mehr über den Brückenbau entscheidet.

Innerhalb der Vierparteienkoalition von Ministerpräsident Carl Bildt gibt es Meinungsverschiedenheiten, die zu einem mittlerweile monatelangen Hickhack geführt haben. Die Zentrums-Partei, dem Umweltschutz verschrieben, wollte einerseits ihr grundsätzliches Nein zur Öresundbrücke nicht aufgeben, anderereits aber auch nicht die Konsequenz ziehen und die Regierung verlassen. Vor den Wahlen und mitten im kompliziertesten Abschnitt der EU-Beitrittsverhandlungen versuchten praktisch alle Parteien einen Regierungswechsel zu vermeiden.

So ließ sich Regierungschef Carl Bildt auf eine Hinhaltetaktik ein. Das Konsortium, das für die technische Ausführung der Brücke zuständig ist, muß neue Pläne einreichen, die für eine geringere Störung des Wasserdurchflusses sorgen würden als die bislang vorgelegten Pläne. Diese waren zunächst von einer Zulässigkeit der Behinderung einer Durchflußmenge von bis zu fünf Prozent ausgegangen, nach den letzten der Regierung zur Genehmigung vorgelegten Plänen sind es noch ein Prozent.

In Dänemark wurde der erneute Aufschub aus Stockholm mit Unverständnis zur Kenntnis genommen. Hier hat die sozialdemokratische Regierung bereits Fakten geschaffen. Eine breite Schneise mit abgerissenen Häusern wurde mitten durch ein beliebtes Wohngebiet Kopenhagens geschlagen. Hier soll die Zufahrtsstraße für den dänischen Teil der Straßen- und Bahnverbindung entstehen, die auf dieser Seite zunächst durch einen drei Kilometer langen Tunnel verläuft. Dem sollen sich Richtung Schweden zwei insgesamt vier Kilometer lange künstliche Inseln, verbunden durch eine niedrige Brücke, und schließlich die acht Kilometer lange eigentliche Öresundbrücke anschließen.

Umwelt- und NaturschützerInnen fürchten vor allem den negativen Einfluß der künstlichen Inseln und der Brücke auf das gesamte Tier- und Pflanzenleben der Ostsee. Der Öresund ist neben dem Großen und Kleinen Belt die einzige Verbindung der Ostsee zum offenen Meer. Das Offenbleiben dieser Verbindungen ist für die ökologisch ständig auf der Kippe stehende Ostsee lebenswichtig. Wird der Zufluß salzhaltigen und sauerstoffreichen Atlantikwassers zu sehr eingeschränkt, drohen weite Teile der Ostsee endgültig abzusterben. Der zur Beratung zugezogene Umweltgerichtshof, der schwedische „Koncessionsnämnden“ hatte im Februar letzten Jahres insbesondere wegen dieser drohenden Natureingriffe nein zur Öresundbrücke gesagt.

Ursprünglich war die Brücke zu Hochkonjunkturzeiten Mitte der achtziger Jahre von der Industrie geplant worden. Sie bot damals sogar an, die Brücke auf eigene Kosten zu bauen und nach Rückfluß der Baukosten durch Brückenbenutzungsgebühren an den dänischen und schwedischen Staat zu schenken. Jetzt hat die Industrie zu einem großen Teil das Interesse verloren. Für den schwedischen Außenhandel sind die direkten Fährverbindungen zu den unbeschränkt offenen deutschen und polnischen Ostseehäfen schneller und billiger als der Umweg über Dänemark. Und die UmweltschützerInnen lehnen das Projekt wegen des befürchteten Anstiegs des Autoverkehrs ohnehin grundsätzlich ab und sind wenn überhaupt, dann allenfalls für eine Tunnelverbindung mit ausschließlichem Bahnverkehr zu haben. Reinhard Wolff