Atommüll nach Morsleben

Erstmals nach der Vereinigung ist in der Nacht von Mittwoch zu Donnerstag wieder Atommüll in Morsleben eingelagert worden  ■ Aus Morsleben Eberhard Löblich

Im einzigen deutschen Atomklo, dem ehemaligen DDR-Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt, wird wieder Strahlenmüll eingelagert. Der erste Container mit 24 Fässern zu je 200 Litern mit schwach radioaktiven Betriebsabfällen aus dem ehemaligen Atomkraftwerk Greifswald kam in der Nacht zum Donnerstag am Endlager an. Begleitet wurde der Transport von etwa zwei Hundertschaften der Polizei. Weitere Spezialeinsatzkräfte und eine Hundestaffel hatten zuvor ein Häuflein von etwa 40 Demonstranten der Bürgerinitiative Morsleben abgedrängt, die versucht hatten, die Zufahrt zum Endlager zu blockieren. Zu Zwischenfällen kam es dabei nicht.

Der Nacht-und-Nebel-Aktion war eine massive Vernebelungstaktik der Behörden vorausgegangen. Nachdem Mitglieder der Bügerinitiative Journalisten auf starke Polizeipräsenz vor dem Atomklo aufmerksam gemacht hatten, erfuhren diese aus dem Magdeburger Innenministerium, daß „es sich dabei lediglich um eine Übung für den Ernstfall“ handele. Noch bis in den späten Abend ließ sich der Einsatzstab auch von der Presse nicht in die Karten gucken. Kurz vor Mitternacht rollte dann der erste Strahlentransport auf das Endlager-Gelände. Insgesamt sollen aus Greifswald in den kommenden Jahren 10.000 Kubikmeter Atommüll nach Morsleben.

Greenpeace-Atomexpertin Inge Lindemann kritisierte die erste Einlagerung nach fast drei Jahren als schweren Fall vereinigungsbedingter Umweltkriminalität. Sie forderte für das Endlager ein sofortiges Planfeststellungsverfahren mit einer Sicherheitsanalyse, die den Kriterien des bundesdeutschen Atomrechts genüge. Mit der Übernahme der DDR-Betriebsgenehmigung durch den Einigungsvertrag versuche Töpfer, den akuten Entsorgungsnotstand der deutschen Atomindustrie abzumildern. „Dafür setzt sich Töpfer auch über Sicherheitsbedenken seiner eigenen Fachleute hinweg“, kritisierte Inge Lindemann und verwies auf zwei Gutachten des Clausthaler Wissenschaftlers Albert Günter Herrmann. Herrmann hatte im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz Tropfstellen und Laugenzuflüsse im Grubengelände des Atomklos untersucht und in zwei Gutachten empfohlen, „zunächst weitere wissenschaftliche und technische Untersuchungen [...] vorzunehmen, bevor über die Einlagerung neuer raidoaktiver Schadstoffe entschieden wird“.

Töpfer wies die Kritik gestern zurück und wiederholte, daß der Wiederaufnahme des Einlagerungsbetriebs weder rechtliche noch sicherheitstechnische Bedenken entgegenstünden. In Erörterungen der Sachlage habe Greenpeace keine neuen Argumente vorbringen können, „die diese Sachposition des Bundes in Frage stellen konnten“.

Die umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Magdeburger Landtag, Heidrun Heidecke, warf insbesondere Sachsen- Anhalts Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) vor, vor Töpfer eingeknickt zu sein. Er habe in der Auseinandersetzung mit Töpfer um Morsleben längst nicht alle Möglichkeiten genutzt, den Weiterbetrieb des Atomklos zu verhindern. Der atompolitische Sprecher des bündnisgrünen Landesverbandes, Michael Rost, forderte den sofortigen Stopp der Einlagerungen. Aufgrund der vorliegenden Sicherheitsgutachten könne Rauls den Betrieb des Endlagers untersagen. Dessen Behauptung, der radioaktive Müll werde rückholbar eingelagert, bezeichnete Rost als Augenwischerei. Dazu müsse schon jetzt ein entsprechendes Rückholkonzept vorhanden sein, das es aber nicht gebe.

Ohne im einzelnen auf die Vorwürfe einzugehen, mahnte Rauls gestern nachmittag eine Mengenbeschränkung für künftige Einlagerungen von Atommüll in Morsleben an. Mehr als 40.000 Kubikmeter Strahlenmüll sollten während der bis zum Jahr 2000 laufenden Betriebsphase nicht eingelagert werden. Außerdem forderte er von Töpfer eine transparentere Informationspolitik. Es könne nicht angehen, daß die Umweltverwaltung von Sachsen-Anhalt über bevorstehende Einlagerungen nur vage auf der Arbeitsebene unterrichtet werde. Rauls hatte noch am Mittwoch nachmittag erklärt, er wisse zwar, daß im Januar eingelagert werden solle, aber er kenne keinen genauen Termin.