Postminister Bötsch stellt sich an Aphrodites Seite

■ Wolfgang Bötsch will Senkungen der Telefongebühren um fünf Prozent bis 1996

Berlin (taz/dpa) – Quasselstrippen und örtlich getrennt Liebende finden in Bundespostminister Wolfgang Bötsch (CSU) einen Unterstützer: Er will die Telefongebühren senken. Bis 1996 soll die Telekom durchschnittlich fünf Prozent weniger für ihre Dienste kassieren. 1998 will der moderne Postillon d'amour die VerbraucherInnen und die Industrie gar um 20 Prozent entlasten, ergänzte ein Ministeriumssprecher.

Deshalb lehnte Bötsch das Konzept der Telekom ab, die einen für sie selbst kostenneutralen Umstrukturierungsplan vorgelegt hatte: Ortsgespräche sollten etwa zehn Prozent teurer und die Ferngespräche entsprechend billiger werden. Lediglich von der ab 1996 geplanten Mehrwertsteuer sollen die KundInnen der Telefongesellschaft weiterhin unbehelligt bleiben. „Die Tarifstrukturänderung [...] würde sich vermutlich bei Privatkunden und insbesondere bei einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen mit Ausgabensteigerungen niederschlagen“, prognostizierte Bötsch gestern und gab sich damit ganz als Sozialmann und Verbündeter von Aphrodite.

Im Ausland geht es ja auch günstiger, argumentiert der CSU-Minister. Die Gebührensenkung sei notwendig , „um Standortnachteile unserer Wirtschaft auf diesem Gebiet zu vermindern und den Verbraucherschutzinteressen gerecht zu werden“. Wenn die Monopole in Europa 1998 aufgehoben werden, stünde bei der Telekom sowieso eine Gebührensenkung an, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wolle, so der Postminister. Außerdem fürchtet Bötsch ein Preismißbrauchsverfahren gegen die Telekom von seiten der Europäischen Kommission.

Das Gejaule der Telefongesellschaft, sie könne sich die Gebührensenkung nicht leisten, will Bötsch nicht gelten lassen: „Die Telekom ist durchaus in der Lage, die Tarifsenkung zu verkraften“. Erfahrungen in anderen Ländern hätten außerdem gezeigt, daß die Leute ihre Gespräche ausdehnten, wenn die Einheiten billiger seien. Die Erwartungen der Telekom seien „überraschend pessimistisch“. Und dann versuchte Bötsch, den Telekommanagern die Marktwirtschaft zu erklären: Kostenentwicklungen seien keineswegs „naturgegeben“, wie die Telefongesellschaft anzunehmen scheine, sondern durch Unternehmenspolitik steuerbar.

Nach all den Watschen für die Menschen in der Telekom-Chefetage wollte Bötsch dann aber dennoch klarstellen, daß er die dort Arbeitenden nicht für unfähig halte: Zu einem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Helmut Ricke sehe er keinen Anlaß. Es gehe lediglich um eine unterschiedliche Einschätzung von Sachverhalten.

Jetzt muß sich Ende Februar der Infrastrukturrat, in dem jeweils 16 Vertreter aus dem Bundestag und Bundesrat sitzen, mit dem Problem beschäftigen und einen Vorschlag erarbeiten. Die Entscheidung liegt beim Kabinett. aje