Gute Chance für Schmerzensgeld

■ Anwalt Peter Baukelmann vertritt die Eltern des vom „Baby-Bottle-Syndrom“ geschädigten Kindes gegen Alete

Gezuckerte Tees, die Kinder aus Flaschen nuckeln, ruinieren das Gebiß der Kleinen für den Rest ihres Lebens. Eltern eines inzwischen 8jährigen Mädchens klagten gegen die Firma Alete/ Nestle wegen des „Baby-Bottle- Syndroms“. Am Mittwoch wurde das Urteil des Bundesgerichtshofs (AZ: VI ZR 41/93) bekannt, in dem festgestellt wird: Der Warnhinweis der Firma war nicht ausreichend. Seit 1985 hatte Alete auf der Packung vermerkt: „Dem Kind das Fläschchen nicht als süßen ,Beruhigungsschnuller‘ überlassen. Nach der abendlichen Zahnpflege keinen Tee mehr füttern.“ Für Informationsfehler, so der BGH, muß die Firma genauso haften wie für Konstruktions- und Produktionsfehler. Damit hat der BGH zwar die Entscheidung der Vorinstanz, dem Frankfurter Oberlandesgericht, aufgehoben – allerdings Alete/Nestle noch nicht zu Schadenersatz verurteilt. Der Fall wurde an das OLG zurückverwiesen, das erst einmal feststellen muß, ob Alete ursächlich für die entstandene Karies verantwortlich gemacht werden kann. Alete bestreitet das. „Ob wir je etwas zahlen müssen, ist noch gar nicht raus“, so Pressesprecher Koch. Doch die Anwälte der Kläger sind optimistisch und verweisen auf das Urteil gegen die Firma Milupa. Diese wurde haftbar gemacht, weil sie gesüßte Kindertees ohne Warnhinweis vertrieben hatte.

taz: Wie sicher sind Sie, daß Sie das Verfahren gewinnen werden?

Peter Baukelman:Man kann davon ausgehen, daß beim fraglichen Fall wohl eine Warnhinweispflichtverletzung vorliegt und daß eine Schadensverursachung beziehungsweise Mitverursachung von Alete feststeht. Im Grunde kann also eine Schadensersatzpflicht angenommen werden.

Viele Eltern fragen sich jetzt, ob sie auch gegen die Hersteller klagen könnten, wenn sie ihre Kinder mit diesen Kindertees gefüttert haben. Welche Voraussetzungen müßten für eine Klage erfüllt sein?

Wenn die Kinder geschädigt sind, können sie, vertreten durch ihre Eltern, gegen den entsprechenden Hersteller Ansprüche stellen. Man muß aber aufpassen, ob die Eltern das Problem nicht bereits seit längerer Zeit kannten. Denn es wird ja seit längerer Zeit diskutiert. Eltern, bei deren Kindern entsprechende Kariesschäden aufgetreten sind, haben möglicherweise schon Kenntnis von verschiedenen Verursachern, so daß die dreijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen sein kann. Ansonsten kann das Kind Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie materielle Schäden geltend machen, soweit sie eingetreten sind.

Wie groß wäre die Chance der klagenden Eltern, eine Entschädigungen zu bekommen?

Das kann man nicht im allgemeinen sagen, sondern muß sich jeden Fall einzeln ansehen. Aber grundsätzlich ist die Chance, daß man Schmerzensgeld bekommt, meines Erachtens nicht schlecht.

Das endgültige Urteil steht im Alete-Fall ja noch aus. Wann ist hier mit einer Entscheidung zu rechnen, die andere dazu bewegen könnte, auch zu klagen?

Zunächst muß man die schriftliche Begründung des jetzigen Urteils abwarten. Die Annahmen, die ich in den Raum gestellt habe, können erst dann verifiziert werden. In der Urteilsbegründung des Bundesgerichtshofs in Karlruhe werden sicherlich noch Vorgaben gemacht werden, an denen sich künftige Fälle ausrichten können. Dann muß das Oberlandesgericht in Frankfurt neu verhandeln und entscheiden. bat/bam