Die Große Koalition übt schon mal

Bundestagsdebatte zu Kohls Regierungserklärung über den Nato-Gipfel: Harmonie zwischen Regierung und SPD / Kohl: „Ein Meilenstein“ / SPD: „Überwiegend positiv“  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Der Kanzler staunte nicht, als Hans-Ulrich Klose ankündigte, seine Fraktion werde „nur gedämpft widersprechen und sogar zustimmen“.

Schon vor der gestrigen Parlamentsdebatte über Kohls Regierungserklärung zum jüngsten Nato-Gipfel stand fest, daß die Differenzen zwischen Regierung und sozialdemokratischer Opposition minimal sein würden. Was Helmut Kohl, wie immer bei solchen Gelegenheiten ganz Staatsmann, als „Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Sicherheitsordnung“ würdigte, bewertete die SPD bescheidener als „überwiegend positiv“. Die „Partnerschaft für den Frieden“ galt den Rednern Kohl, Klose, Kinkel, Rühe als angemessene Antwort auf die Frage, ob, wann und wie die Nato sich gen Osten erweitern solle.

Das „historisch beispiellose Angebot, ein Militärbündnis für umfassende Zusammenarbeit und Partnerschaft mit früheren Gegnern zu öffnen“ (Helmut Kohl) begrüßte Klose für die SPD „im Grundsatz“. Der Maßstab für die Bewertung der nächsten Schritte sei die gesamte Sicherheitsarchitektur Europas. Nicht anders als der Bundeskanzler hatte Klose „Verständnis für die Sichtweise der beitrittswilligen Länder“. Gleichwohl bedachte Kohl: „Zugleich gibt es in Rußland historisch gewachsene Befürchtungen vor Isolierung und Einkreisung. Auch diese Sorgen müssen wir ernst nehmen.“

Auch für Klose lautet das Fazit nach der Gesamtschau über Osteuropa, daß förmliche Beitritte „jetzt nicht möglich“ seien. Es müsse alles vermieden werden, was die Reformer in Rußland schwächen und den Kräften mit imperialen Intentionen Vorwände schaffen könne. „Insofern nimmt der Westen Rücksicht auf Rußland.“

Das hieße aber nicht, so Klose weiter, daß „wir dem russischen Präsidenten eine Art Veto einräumen“. Milde mahnte die SPD an, daß Sicherheit in Europa nicht vorrangig militärisch geschaffen werden könne.

Doch die wohltemperierte Debatte zum brisanten Thema belebte sich gelegentlich. Während Andrea Lederer (PDS/LinkeListe) die Brüsseler Tagung scharf kritisierte („starke Militarisierung der westlichen Außenpolitik“), plädierte Vera Wollenberger (Bündnis 90/ Die Grünen) entschieden für eine Aufnahme der Visegrad-Staaten (Polen, Ungarn, Tschechien und Slowakei) in die Nato.

Ihre Argumente: Die Gefahr nationalistischer Sonderwege würde gedämpft, drohende zwischenstaatliche Konflikte könnten eher zivilisiert werden. Die Abgeordnete berief sich Jiri Dienstbier, der gesagt hat, daß das Vordringen der Institutionen der westlichen Welt zur russischen Grenze keinesfalls das demokratische Rußland bedrohe, sondern nur seine kolonialistisch oder autoritär denkenden Feinde.

Mit Friedbert Pflüger (CDU- Fraktion) wagte sich ein Abgeordneter aus dem Regierungslager vor. Es gäbe zwar gute Gründe gegen eine sofortige Mitgliedschaft, aber auch einen schlechten. Friedbert Pflüger: „Wir dürfen Moskau nicht erlauben, die Schirinowski- Karte zu spielen. Weder heute noch morgen darf der Schlüssel zur Nato-Erweiterung in Moskau liegen.“