Härtetest für neue „Partnerschaft“

Obwohl sich Bill Clinton bei seinem Besuch in Moskau demonstrativ vor den innenpolitisch bedrängten Boris Jelzin stellte, dürfte sein Gastgeschenk, 1,5 Milliarden Dollar US-Hilfe, nicht reichen, um die sozialen Härten der Reformen abzufedern.

Bill Clinton scherzte noch vor den Kanonenkugeln vor dem Rundgang über das Kreml-Areal. Neben ihm stand ein Boris Jelzin, der sich nur mühsam ein Lächeln abrang. Eigentlich hat er für Sightseeing zur Zeit keine Kapazitäten frei. Seine ganze Haltung drängte zum Weitergehen.

Der US-Präsident stellte sich beim Auftakt seiner Visite in Moskau zwar demonstrativ vor den bedrängten Kreml-Führer. „Der russische Staatschef verdient unsere Unterstützung“, sagte er. Dennoch brachte Clinton nur bescheidene 1,5 Milliarden Dollar US-Hilfe mit nach Rußland. Um damit ein soziales Sicherungsprogramm für die Russinnen und Russen zu lancieren, dazu reichen solche Mittel bei weitem nicht aus.

Für Jelzin mag es nur ein schwacher Trost sein, daß das Schicksal des US-Präsidenten mit dem seinen eng verknüpft ist. Clintons volle Unterstützung seines russischen Kollegen, mutmaßte die Zeitung Moskowskije Nowosti, könnte ihm beim Scheitern Jelzins auch zu Hause teuer zu stehen kommen. In Rußland ist man sich über den wachsenden Argwohn der USA gegenüber der Moskauer Außen- und Innenpolitik durchaus im klaren. Clinton trifft sich mit einer Reihe maßgebender Leute außerhalb der politischen Elite. Unter ihnen ist nicht nur der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, auch der Fraktionsvorsitzende der Kommunisten im neuen Parlament, Sjuganow, gehört zum Kreis der geladenen Gäste. Allerdings schreckt die US-Regierung davor zurück, den Sieger der Wahlen, Wladimir Schirinowski, an den Gesprächstisch zu bitten. Man fürchte, hieß es aus der US-Delegation, das exzentrische Auftreten des Ultra-Nationalisten könnte Clinton vor nicht abschätzbare Unannehmlichkeiten stellen.

Schirinowski reagierte umgehend: der US-Präsident treffe sich mit den falschen Leuten, mit jenen, die politsch längst tot seien.

In der Tat ist der Zeitpunkt der Visite nicht gerade glücklich. Schon nächste Woche wird eine neue Regierungsmannschaft antreten, der eine ganze Reihe weniger reformfreudiger Minister angehören dürfte. Zur Zeit kann von einer Regierung in Moskau keine Rede sein. Die einzigen Stabilitätsfaktoren sind Premierminister Tschernomyrdin und Präsident Jelzin.

In Umfragen hielten 61 Prozent den Besuch Clintons für „wichtig und notwendig“, 38 Prozent halten einen Krieg zwischen den ehemaligen Konkurrenten des Kalten Krieges heute für sehr unwahrscheinlich. Für gewisse Erleichterung sorgte in Moskau die amerikanische Initiative „Partnerschaft für den Frieden“. Die Armeezeitung Krasnaja Swesda beurteilte die Zukunftsaussichten positiv. Es sei durchaus möglich, daß Moskau an der Initiative teilnehme. Nebenbei war auch von gemeinsamen Manövern der beiden Streitkräfte die Rede. Nach wie vor sehen die russischen Militärs allerdings mißtrauisch auf amerikanische Bemühungen, in den Nachfolgestaaten der UdSSR Fuß zu fassen und in die Konfliktregelung maßgeblich einzugreifen. Moskau hält das „nahe Ausland“ für seine natürliche Interessenzone. Russische Kommentatoren warnen die USA davor, die russischen Rechte „auf eine eigene Politik mit eigenen nationalen Prioritäten zu mißachten“.

Gerade den Ultranationalisten, die eine Öffnung und Liberalisierung verhindern wollen, würde der Westen damit in die Hände spielen. Indirekt erwartet man daher von den westlichen Staaten Verständnis für eine härtere Rhetorik in der Außenpolitik, wie sie Außenminister Kosirew seit dem Wahlkampf schon praktiziert hat. Dennoch gilt der Außenminister als Garant für eine Westöffnung. Er soll von den bevorstehenden Kabinettsumbildungen nicht betroffen sein.

Gemeinhin wird der Besuch als ein „Härtetest“ bewertet: Wird es Clinton gelingen, die Fallen zu umgehen, die mit der Unterstützung Jelzins verbunden sind, und gleichzeitig das gewachsene Kapital an Gemeinsamkeit zu bewahren? Klaus-Helge Donath, Moskau