Konkurrenz jenseits des Teiches schläft nicht

■ Regisseur Lars Becker: Abfuhr vom Film Fonds, aber Anruf aus Hollywood

Der Anruf aus Hollywood bei einem unbekannten Filmemacher in St. Pauli - eigentlich schon Stoff für eine Hollywood-Produktion. Tatsächlich aber geschehen am 12. Januar 1994, als Hollywood-Produzent Dino de Laurentiis bei der Wüste-Filmproduktion am Pferdemarkt anrief und fragen ließ, ob Lars Becker ein paar Minuten Zeit habe, mit ihm zu plaudern.

„Ich seh das ganz locker“, der Autor und Regisseur Lars Becker, den der Anruf ausgerechnet an seinem 40. Geburtstag erreichte, bleibt cool. Während sein Film Schattenboxer derzeit im ausverkauften Kino der Directors Guilde in Los Angeles gezeigt wird, lehnte kürzlich erst der Hamburger Film Fonds die Förderung seines neuen Projektes Totes Rennen mit der Bemerkung ab: „Überarbeiten Sie das noch mal.“

Die „Sensation“ in Hollywood löste ein Artikel in der „Los Angeles Times“ aus, der auf „ein beeindruckendes Angebot von neuen Filmen aus Deutschland“, im Speziellen auf den Schattenboxer, hinwies, der in Deutschland zwar gute Kritiken aber wenige Besucher hatte. Eine Seltenheit, daß die alljährliche Vorstellung einer Handvoll deutscher Filme im Kino der Directors Guilde überhaupt solches Echo fand. Schattenboxer-Hauptdarsteller Diego Wallraff, der seit zwei Jahren in Kalifornien lebt, wurde daraufhin nicht nur als Star-Gast ins Kino, sondern auch gleich zu diversen Castings - unter anderem von Regisseur Oliver Stone - eingeladen.

Obwohl seit Jahren im Filmgeschäft, war Becker doch überrascht über die schnelle Reaktion der marktbeherrschenden Filmfabrik Hollywood. Solches wäre bei der Schwerfälligkeit der deutschen, respektive der europäischen Filmförderung undenkbar, zumal die Konkurrenz um die Fördertöpfe nicht selten eher vom Futterneid hungerleidender Filmemacher, als von einem engagierten Wettbewerb darum, wer den besseren Film macht, geprägt sei. Auch wäre es die Aufgabe der Produzenten, in die Drehbuchschreiber zu investieren. „Im Fußball sichert sich doch ein Verein auch die jungen Talente mit handfesten Verträgen“, vergleicht St.Pauli-Fan Becker, andeutend, daß ein kontinuierlicher Aufbau des Nachwuchses nicht stattfindet, und die Filmer bei den Fernsehanstalten unterschlüpfen müssen.

Becker, der ebenfalls mit dem Schreiben fürs Fernsehen seine Familie ernährt, findet diese Schwerfälligkeit ermüdend. Er dürfte nicht der Einzige sein, den das Schneckentempo der Entscheidungen in der Filmförderung nervt. Doch trotz vorläufiger Ablehnung des Film Fonds treibt er die Vorbereitungen zu Totes Rennen voran. Angelehnt an die Ereignisse der Geiselnahme, mit der vor einigen Jahren Strafgefangene in Celle ihren Ausbruch erzwingen wollten, erzählt er darin von einer Autoschieber-Gang, einer hilfreichen Friseuse, von nicht gerade zur Resozialisation ermutigenden Strafen und letzthin auch von der Liebe. Diesen Stoff von heute möchte man bald im Kino sehen. Und am liebsten auf die schon im Schattenboxer erprobte lakonische Mischung aus Spannung, Zeitgeschehen und Gefühl - und auf die europäische Art. Daran wird auch das Gespräch, das Becker noch im Januar mit di Laurentiis in Rom führen wird, hoffentlich nichts ändern.

jk