Mit Kanonen auf Spatzen?

■ Beschwerde gegen Polizisten wegen Festnahme von Jugendlichen

Donnerstag, 6. Januar, gegen 17 Uhr in der Obernstraße: Zwei Männer in Zivil halten zwei ausländische Jugendliche auf dem Bürgersteig an den Armen fest. Als ein Passant wissen will, was da vorgeht, erklären die Zivilisten, das ginge ihn nichts an, als einer der Jungen etwas sagen will, herrschen sie diesen an, „sofort die Klappe zu halten.“ Ebenso unfreundlich und abweisend sieht sich der zufällig vorbeikommende Sozialpädagoge Jürgen Heiser behandelt, der einen der beiden festgehaltenen Jugendlichen erkennt. Um die kleine Gruppe versammeln sich Menschen, der Ton wird aggressiver. Flüchtig zeigt einer der Männer einen Dienstausweis der Polizei, ehe die Jungen in einen Streifenwagen, der mit Blaulicht durch die Obernstraße gefahren kommt, verladen werden. Die Zivilbeamten, die die Jugendlichen festgehalten haben, geben weder ihre Namen noch ihre Dienstnummer bekannt, sondern wollen diese erst auf dem Polizeirevier rausrücken.

So schildert Jürgen Heiser den Vorfall. Inzwischen hat er gegen die ihm unbekannten Beamten Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben. Auf der nächsten Sitzung der Innendeputation will der innenpolitische Sprecher der grünen Fraktion, Martin Thomas, den Fall ansprechen.

„Es geht nicht darum, daß ich gekränkt bin, weil ich keinen Ausweis zu sehen bekommen habe“, meint Heiser. „Aber die Beamten haben sich überhaupt nicht ausgewiesen, alle Fragesteller in rüdem Ton angemacht und die Situation unnötig eskaliert.“ Die Jugendlichen so öffentlich „an den Pranger zu stellen“, das fand und findet Heiser „völlig unverhältnismäßig“. Da werde mit Kanonen auf Spatzen geschossen, ein „Riesenaufstand mit Blaulicht“ gemacht und ein öffentliches Bild von kriminellen Ausländer-Kindern hergestellt. Viele ausländische Jugendliche, mit denen Heiser arbeitet, „haben oft diese Erfahrung, daß sie einfach so einkassiert werden.“

„Einfach so“, das hört Ralf-Gunter Pestrup vom Polizeipräsidium gar nicht gern. Schließlich hätten die Beamten Straftäter gestellt. Sie seien dabei nur verpflichtet, sich gegenüber den direkt Betroffenen auszuweisen. „Wenn da jemand aus der Menge rumpöbelt, „Wer seid Ihr überhaupt“, darauf müssen die Beamten nicht reagieren.“ Die Dienstaufsichtsbeschwerde ist bei der Polizei eingegangen und werde bearbeitet. Die Beamten konnten bisher nach Pestrups Angaben noch nicht befragt werden, weil sie in der Nachtschicht arbeiteten. An den Pranger gestellt sieht Pestrup die Jugendlichen ebenfalls nicht: „Es war ja nicht so, daß einer geschrieen hat, seht her, Leute, hier stehen die Kriminellen!“ Zwar seien Beamte gehalten, sich auszuweisen, aber „nicht, wenn es die Maßnahme stört.“

Auch die Sprecherin des Innenressort, Erika Pape-Post, bestätigt, daß sich die Beamten korrekt verhalten hätten: Ausweisen müßten sie sich nur gegenüber den direkt Betroffenen. Und eine Dienstmarke habe eh nur die Kripo, nicht die Schutzpolizei, um sich damit anonym auszuweisen.

„Das geht nicht, daß sich Polizeibeamte im Einsatz nicht ausweisen“, meint dagegen Martin Thomas. „Wenn es von der Lage her möglich ist, haben sie die Pflicht, sich auch gegenüber Dritten als Polizeibeamte zu erkennen zu geben.“ Er sehe durchaus den Streß der BeamtInnen, die sich im Einsatz sehr oft einer feindseligen Menge gegenüber sähen. „PolizistInnen sollten freiwillig Namensschilder tragen oder bereit sein, ihre Dienstnummer aus Verlangen herauszugeben. Unabhängig davon zeigt die Polizei sich oft ausgesprochen ablehnend gegenüber jeder Kritik, obwohl sie bürgerfreundlich sein will.“ Der Vorfall zeige, daß die Polizei den Umgang mit jugendlichen Tätern oft nicht als jugend- und sozialpolitische Aufgabe sehe, sondern gegen sie wie gegen harte Kriminelle vorgehe. „Wenn sowas passiert, gibt uns die Polizei keine Chance, ihren Ruf gegenüber den Bürgern zu verbessern.“ bpo