Mit 19,80 Mark sind Sie dabei

■ Auch KunststudentInnen lernen, wie man sich verkauft: Eine „Ausstellung auf Probe“

Gestern mittag in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst: „Und plötzlich kommen da die Presseleute und fragen mich was, und ich seh' die Frau von Radio Bremen mit dem dicken, roten Mikro.“ Heinz-Günter Lackner spricht sich das Flaue von der Seele. Und alle nicken verständnisvoll. Und wir, die Fragenden, sind unversehens mittenrein ins Seminar geraten.

Es geht: um Berufstraining für angehende KünstlerInnen. Drei Semester lang haben zwölf Studierende der Hochschule für Künste sich zusammengefunden, um sich auf die harten Zeiten nach dem Studium vorzubereiten. KünstlerIn als Beruf heißt ihr Projekt. Das vorläufige Endprodukt ist eine Ausstellung auf Probe von sieben der zwölf in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst auf dem Teerhof: mit Malerei, Bildhauerei und Druckgrafik.

Das Besondere daran: Nichts ist endgültig, alles ist in progress, und überhaupt wird es eigentlich nur einen Tag dauern, den morgigen Sonntag nämlich. Die StudentInnen, jetzt Gruppe 94, proben den Testdurchlauf.

Ihr Dozent, Projektleiter Alexander Baier, nennt es „Wege in die Öffentlichkeit kennenlernen, sich einbringen, Verantwortung übernehmen“; für Ulrike Möhle, Bildhauerin im achten Semester, heißt das: „Zum ersten Mal habe ich eine Ausstellung von vorne bis hinten mitorganisiert. Sonst wird einem doch vieles abgenommen. Du gibst immer deine Arbeiten in fremde Hände.“

In der GAK flicken die StudentInnen selbst die Nagellöcher in der Wand, rücken jetzt noch Skulpturen von hier nach da, und Greune- Meisterschülerin Gunda Chromik ist irgendwie enttäuscht, daß ihr am Boden liegendes Herz aus bemalten Kokosnüssen so ganz anders im Raum wirkt; erst recht, nachdem sie Richard Long nebenan in der Weserburg gesehen hat: „Ich bin enttäuscht, daß es so klein ist.“

Zweifel und Kritik wollen sie hören, die KünstlerInnen, und fänden es „schön, wenn der Eindruck entsteht, wie schade, daß die Ausstellung schon wieder vorbei ist“. Am Sonntag ist Verni- und Finissage in einem und das eigentliche Event angesagt: Ein öffentliches Künstlerfrühstück mit den Machern und Freunden der Szene. Knapp hundert Ausstellungsmacher, Galeristen, Kritiker und KollegInnen aus dem norddeutschen Raum sind zur Diskussion geladen.

Daß dies alles in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst stattfinden kann, hat sich, so Baier, ergeben. GAK-Gastgeberin Eva Schmidt findet es spannend, sich an einem kleinen Teil Bremer Vernetzungsarbeit zu beteiligen. Da, wo sonst arriviertere Leute zu Hause sind, dürften sich auch mal die AnfängerInnen in die Bremer Kunstszene einschleichen.

Und vielleicht gar gleich verkaufen. Rainer Krause jedenfalls hat damit keine Probleme. Spontan trennt er sich von seiner Wolldecken-mit-Blumenstrauß-Installation ohne Titel. Der Empfänger ist der Kunstkritiker Günther Heiderich vom Weserkurier, der mit 19,80 Mark dabei ist. Man kauft gut bei Krause – die braune Wolldecke geht frischgetauft (Pferd auf Wesermarschwiese) als Leihgabe ins Heiderichsche Wohnzimmer.

Endgültig finanziert wird auf Probe durch den Verkauf von 21 Leinenkassetten mit Druckgrafiken und jeweils einem Unikat der sieben: Gunda Chromik, Rainer Krause, Heinz- Günter Lackner, Ulrike Möhle, Anja Ochsendorf, Hildegard Schowerth, Britta Stenmanns.

Silvia Plahl