Carla und der (Arbeits-)Amtsschimmel
: Aussitzen, wie vom Kanzler gelernt

■ Von der Nutzlosigkeit der Arbeitsberatung

Carla hat bis 1991 studiert und anschließend gleich eine Stelle gefunden. Sie will nach Berlin und kündigt. Zwei Jahre Berufserfahrung bringt die 27jährige mit, als sie den „Fachvermittlungsdienst für besonders qualifizierte Fach- und Führungskräfte“ des hauptstädtischen Arbeitsamtes aufsucht. Dazu Sprach- und EDV-Kenntnisse, Auslandsaufenthalte, mehrere Praktika. Sie hält sich für vermittelbar. Nicht nur eine Einladung zum Vorstellungsgespräch hat sie auf dem Schreibtisch liegen.

Den Gang zum Arbeitsamt aber hätte Carla sich sparen können. Mit der Meldung als Arbeitsuchende besorgte sie den BürokratInnen ein Alibi, weiter an ihren Schreibtischen zu verstauben. Zunächst schreckte sie die Sekretärinnen, die ihren Fall entgegennahmen, mit der Weigerung auf, sich arbeitslos zu melden. Das hätten sie noch nie erlebt, daß jemand seine Knete nicht abholt. Carla solle mal an ihre Rente denken!

Zweitens übersteigt es den Horizont der Empfangsdamen, daß eine Politologin berufstätig gewesen sein könnte. „Ich bin Redakteurin und möchte deshalb in der Abteilung Publizistik betreut werden.“ „Aber sie haben Politikwissenschaft studiert?“ Ja also. Zweiter Stock, arbeitsuchende Geistes- und Sozialwissenschaftler. Dort erklärt Carla, was eine Redakteurin macht, legt ihr Arbeitszeugnis vor. Zehnminütige Rücksprache mit dem Kollegen. Stimmt, es liegt ein Versehen vor, zuständig ist der fünfte Stock.

Schließlich das Gespräch mit der Arbeitsberaterin. Nutzlos wie ein Fahrrad für Fische. Inzwischen sind die Daten im Computer erfaßt, die Dame studiert sie auf dem Bildschirm. Wieder mahnende Worte, sich arbeitslos zu melden. Carla beharrt, der Aufwand lohne sich nicht, sie finde bald einen Job, und finanziell ginge es ganz gut. „Na, Sie wissen doch, wie die Zeiten sind“, warnt die Amtsdame. Sie habe nur Bewerbungen, keine einziges Angebot. Der Branche gehe es nicht gut, und dann noch die vielen Entlassenen aus dem Osten. Leider habe sie dieses Jahr kein Geld mehr, eine Anzeige für Carla zu schalten (es ist Ende Oktober). Vielleicht nächstes Jahr.

Carla wartet darauf, daß die Dame ihren Lebenslauf, ihre Arbeitsproben oder die Zeugnisse ansehen will. Schließlich wäre das die Grundlage für ein echtes Beratungsgespräch, für die Einschätzung der Möglichkeiten oder gar einen Bewerbungsplan. Nichts passiert. Die Arbeitsberaterin ist offenbar der Meinung, sie habe ihre Pflicht getan. Nicht einmal auf Fortbildungs- oder Umschulungskurse weist sie hin.

Carla verabschiedet sich kämpferisch, möchte sich vom ausströmenden Phlegma der Bürokratin nicht anstecken lassen. Klar ist, wenn sie eine Stelle findet, dann der Dame zum Trotz, keinesfalls mit ihrer Hilfe. Die sitzt da nämlich mit immer mehr Daten im Computer bis zu ihrer wohlverdienten Rente und beklagt die schlechten Zeiten. bibö

Siehe auch: In Sachen Carla, S. 35