Dem Spediteur ist nichts zu schwör

■ Der Hauptstadtumzug ist festgezurrt: von 1998 bis 2000 / Berlin wie Bonn stimmen dem Allparteienkompromiß halbherzig zu / Bonn bekommt zum Trost 2,8 Milliarden Mark

Bonn (taz) – Den Übergang ins nächste Jahrtausend erlebt der Bundestag voraussichtlich in hochwassersicherem Gebiet: Gestern haben sich Regierungsparteien und SPD-Opposition in Bonn über den Zeitrahmen und die Finanzierung des Umzugs von Bundesregierung und Parlament nach Berlin geeinigt. Danach sollen beide Verfassungsorgane zwischen den Jahren 1998 und 2000 in die Hauptstadt ziehen. Die Region Bonn erhält Ausgleichszahlungen von 2,8 Milliarden Mark. Obwohl diese Summe über dem ursprünglichen Ansatz des Finanzministers liegt, sollen die Gesamtkosten des Regierungsumzugs in Höhe von 20 Milliarden angeblich nicht steigen. Bis Ostern wollen die Fraktionen ein Bonn-Berlin-Gesetz verabschieden, das Einzelheiten des Umzugs regelt.

Das Ergebnis des zweieinhalbstündigen Treffens im Kanzleramt bezeichneten anschließend alle Beteiligten als zufriedenstellend. SPD-Chef Rudolf Scharping nannte es allerdings unrealistisch, daß auch die Regierung den Umzug innerhalb von zwei Jahren bewältigen könne. Nach seiner Ansicht seien acht Jahre nötig. Er plädierte dafür, mit dem Regierungsumzug früher zu beginnen und möglicherweise zunächst Bundeskanzleramt und Auswärtiges Amt nach Berlin zu verlegen. Den Termin für den Bundestagsumzug bestätigte Scharping. Nach seinen Worten kann die SPD mit dem Beschluß insgesamt gut leben. Er gehe davon aus, daß die Fraktion dem Gesetz zustimmen werde.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), nannte die SPD-Vorstellungen zur Dauer des Umzugs „Wackelpudding“. Die endgültige Entscheidung für Berlin aber sei ein „Sieg für die Glaubwürdigkeit“. Diepgen äußerte die Erwartung, daß Investoren in der Hauptstadt nun ihre abwartende Haltung aufgeben würden und forderte, das konkrete Umzugsdatum für Regierung und Parlament auch im Bonn-Berlin-Gesetz festzuschreiben. In diesem Punkt widersprach ihm der Chef der nordrhein- westfälischen Staatskanzlei, Wolfgang Clement (SPD). Bonns Oberbürgermeister Hans Daniels (CDU) erklärte, durch die Ausgleichszahlungen sei eine „faire Arbeitsteilung“ mit Berlin erreicht. Mit den 2,8 Milliarden Mark hätten die Bonner Erwartungen zwar nicht ganz erfüllt werden können, die Zusage sei aber eine gute Grundlage für die Entwicklung der Region.

In Bonn sollen nicht nur acht Ministerien verbleiben, die „Bundesstadt“ soll auch zum Wissenschaftszentrum ausgebaut werden und Sitz weiterer internationaler Organisationen werden. Über die Verwendung der Gelder will die Bundesregierung nicht mitentscheiden. mon

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