Eine Brücke für Rosa Luxemburg

■ Geschichtswerkstatt benennt Lichtenstein-Brücke symbolisch um

Geschichte wiederholt sich nicht, nur historische Gedenktage kehren immer wieder. „Wir machen das genauso wie vor sieben Jahren“, sagt Jürgen Karwelat von der Berliner Geschichtswerkstatt. „Erst lese ich den Text von Egon Erwin Kisch über die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor, und dann befestigen wir das Schild ,Rosa-Luxemburg-Brücke‘ am Geländer.“

Etwa hundert Menschen waren dem Aufruf von Geschichtswerkstatt und Bündnis 90/Grüne am Samstag gefolgt. Mit der symbolischen Umbenennung der Lichtenstein-Brücke in „Rosa-Luxemburg-Brücke“ wollten sie an die ersten politischen Morde in der Weimarer Republik erinnern: Am 15. Januar 1919 ermordeten Freikorpssoldaten einer Gardekavallerieschützendivision Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die – zusammen mit Leo Jogiches – aus dem linken Flügel der USPD und den Spartakisten im Dezember 1918 die KPD gegründet hatten.

Schon einmal war die Brücke auf Initiative der Geschichtswerkstatt symbolisch umbenannt worden. Im Mai 1987, als das Erweiterungsgelände des Zoologischen Gartens und die neuaufgebaute „Lichtenstein-Brücke“ eingeweiht worden waren.

Zwar wird die zwischen 1986 und 1987 vollkommen neu aufgebaute Brücke in den meisten Stadtplänen nach dem ersten Direktor des Zoologischen Gartens genannt, doch an der Brücke selbst sucht man ein Namensschild vergeblich. Deshalb ist für Jürgen Karwelat die Brücke über den Landwehrkanal, zwischen Tiergartenschleuse und Cornelius- Brücke, immer noch namenlos. „Die tun so, als ob es einen offiziellen Namen gibt, aber es gibt ja kein Schild“, sagt der Jurist und Hobbyhistoriker Karwelat, der den Streit um die Namensgebung seit mehr als zehn Jahren verfolgt. Schon 1983 hatten sich AL und SPD in der BVV Tiergarten entschlossen, die Brücke nach der Pazifistin und Kosmopolitin zu nennen. Aber: Die Umbenennung scheiterte schon damals am zuständigen Senator für Bau- und Wohnungswesen. Die meisten, die auch an diesem 15. Januar, dem 75. Todestag von Rosa Luxemburg, wieder an den Landwehrkanal gekommen sind, ärgern sich, daß der Bausenator die Brücke nicht einfach umbenennt. Zum Beispiel Georg Kowalski. Der 66jährige Pensionär kann gar nicht sagen, wie oft er am 15. Januar schon am Landwehrkanal war. „Für mich ist der Bausenator Nagel ein negativer Wendehals, der, nachdem er an die Macht gekommen ist, alles vergessen hat, was er vorher gesagt hat.“

Als ein kleiner Demonstrationszug der SPD die Brücke überquert, packt Jürgen Karwelat sein Megaphon wieder aus: „Liebe Freunde von der SPD, Ihr geht gerade über die Rosa-Luxemburg-Brücke, fragt doch mal euren Bausenator, warum er die Brücke nicht längst umbenannt hat.“ Rüdiger Soldt

Siehe auch Seite 22