Das richtige Outfit für den Weg ins Leben

■ Vier Jahre nach dem Ende der DDR boomt die Jugendweihe wieder / Erste Verkaufs- und Beratungsmesse gibt Tips für die Jugendweihe / 1994 nehmen mehr als 7.000 BerlinerInnen teil

„Die Jugendweihe hat nichts mit Nostalgie zu tun“, betonte der Präsident der Interessenvereinigung Jugendweihe e.V. auf der gestrigen Pressekonferenz. Zufällige Bestätigung fand seine Abkehr von der Vergangenheit am Stand der Bundeswehr, die neben sechzig weiteren Ausstellern auf der ersten Verkaufs- und Beratungsmesse „Days for Youth“ im Haus am Köllnischen Park vertreten war. Auf einem Foto, das für den Beruf des Unteroffiziers warb, war der Begriff Polytechnische Oberschule verwendet worden. Der DDR-Ausdruck POS war aus Gründen des leichteren Verständnisses verwendet worden, und der Presse- und Informationsstab hatte nicht damit gerechnet, daß sich Eltern von ehemaligen POS- Schülern daran stoßen würden. Nach mehreren Beschwerden wurde die Tafel umgedreht und statt „DDR-Nostalgie“ mit Soldaten am Lagerfeuer geworben.

Weniger problematisch ging es an den drei Kosmetikständen zu, wo sich die angehenden Erwachsenen oder Mütter Tips zur Frisur und zum Make-up geben ließen. Sandra aus Köpenick kam aufgrund des großen Andrangs nicht dazu, eine Hochsteckfrisur auszuprobieren. Das könnte sie aber in dem Kurs „Schönheit privat“ nachholen, den die Interessenvereinigung neben Kursen im Kochen, Bauchtanz, Kung-Fu und Keramik wöchentlich anbietet. Es war auch das mehr als 200 Veranstaltungen umfassende Programm, das vom Besuch des Bundestages und der Zeitung Junge Welt bis zum Daimler-Benz-Werk reicht, das Sandra überzeugte. Sie nimmt an der Weihe teil, „weil's Spaß macht“.

Großer Andrang herrschte auch an den zehn Ostberliner bezirklichen Kontaktbüros, die über die genauen Termine für die Feiern informierten. Der größte Andrang herrschte am Stand Marzahn. Von dort und aus Hellersdorf kommen die meisten Jugendweihe-Teilnehmer.

Computerfirmen, Reisebüros, Party-Service-Anbieter, Banken, Versicherungen und Vereine umwarben die jungen Kunden. Bei der Bekleidung reichte das Angebot von T-Shirts mit dem Aufdruck „Sei schlau, bleib dumm“ bis hin zu weißen Rüschenblusen und perlenbestickten Dessous. Sandras Mutter zog es jedoch vor, nicht auf der Messe zu kaufen. Ihre Befürchtung: „Wenn man hier kauft, haben dann alle das Gleiche an.“ Außerdem fand sie die Blusen und Cocktailkleider „eher für die Verwandtschaft passend“.

Fast 17.000 Eltern und Kinder besuchten die erste Berliner Jugendmesse am Wochenende. Werner Riedel, der Präsident der Interessenvereinigung Jugendweihe, stellte mit Genugtuung fest, daß die Zahl der Berliner Jugendweihlinge auf 7.250 für dieses Jahr angestiegen ist (Westberlin rund 150); bundesweit sind es 80.000. Der Verein war im letzten Jahr vom Berliner Senat als förderungswürdiger und gemeinnütziger Verein anerkannt worden. Riedel beklagte sich aber über fehlende Unterstützung aus Bonn. Die Ministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel, gab ihm im letzten Jahr klipp und klar zu verstehen: „Damit Sie es wissen, eine Förderung erhält die Jugendweihe nicht.“ Barbara Bollwahn