■ Scheibengericht
: Günter Sommer

Sächsische Schatulle – Hörmusik III

(Intakt Records CD 027/1993)

1980 auf dem Berliner Jazzfest machte Günter Sommer Ernst. Er verhängte die Bühne mit Tüchern und absolvierte seinen Auftritt dahinter. Derart ihrer visuellen Dimension beraubt, schmolz seine Musik auf ihren eigentlichen Kern zusammen. „Hörmusik“ nannte Sommer das akustische Konzentrat – ein Pleonasmus, der als Fingerzeig zur Schärfung der Wahrnehmungsfunktion verstanden sein wollte.

Sommer, der heute am Bodensee lebt, war früher ein hochqualifiziertes Belegschaftsmitglied des VEB „Freier Jazz“ (Abteilung „Schlagzeug“) der Deutschen Demokratischen Republik. Ein Mann, dessen Produkte als eine der wenigen Erzeugnisse auch im Westen als konkurrenzfähig galten – nicht zuletzt dank Sommers superber Schlagarbeit.

Dabei hatte sich der Dresdner weder im „Zentralquartett“ noch als Solist ausschließlich aufs Trommeln verlegt. Immer war er bemüht, das staubtrockene Schlagwerk durch ein umfangreiches Arsenal an Perkussions- und Melodieinstrumenten anzureichern, wobei er neben Flöte, Bandoneon und Mundharmonika auch gerne auf die Schalmei zurückgriff – das traditionelle Bergmannsinstrument in der Form einer alten Autohupe, das auch Erich Honeckers Lieblingsinstrument war.

Der Blick über den Trommelrand ermöglicht einen Klangfarbenreichtum, der Sommer davor bewahrt, in seiner Solomusik jemals langweilig zu werden. Im Gegenteil: Jedes Stück seiner neuesten Produktion besticht durch ein eigenes Gepräge. Oft sind es die speziellen Eigenschaften eines bestimmten Klangkörpers, die Sommer in kleinen Paradenummern, unterfüttert von sich überlagernden Rhythmen, facettenreich herausarbeitet.

Im Eröffnungsstück legen Wirbel und Prallschläge die Charakteristika der schnarrenden Marschtrommel frei, während zirkulare Summtonmelodien die meditative Ruhe des balinesischen Gongspiels imitieren. Oder aber ein wellenartiges An- und Abschwellen macht klar, über welch ein dynamisches Potential die Metallcymbals verfügen. Ein ausgeprägtes Formempfinden, den Gesetzen einer ausgeklügelten Dramaturgie folgend, macht aus jeder von Sommers kleinen Etüden eine feingesponnene, buntschillernde Trommelsymphonie.