■ Scheibengericht
: John Hammond

Trouble No More

(Pointblank/Virgin CD 788 25 72)

Ein Bluesmusiker ist bekanntlich ein armer Hund. Blind, schwarz und arbeitslos sitzt er mit seiner abgeschabten Gitarre an einer staubigen Straßenecke in irgendeinem gottverlassenen Kaff, bevorzugt im Mississippi-Delta, und heult seine steinerweichenden Gesänge hinaus. Sie handeln in der Regel davon, daß ihn zu allem Übel jetzt auch noch sein „Babe“ verlassen hat. Der Erfolg von John Lee Hooker etwa beruht zweifellos zu einem beträchtlichen Teil auf diesem Archetyp des Blues (obwohl Hooker längst in einem komfortablen Bungalow in einer der besseren Wohngegenden von Los Angeles lebt): the poor black underdog.

John Hammond ist das genaue Gegenteil davon. Groß, weiß und gutaussehend, wirkt er wie Mr. Anti-Blues höchstpersönlich, jemand, der auf der Sonnenseite des Lebens zu Hause ist. Und trotzdem spielt Hammond den Blues so „authentisch“, wie es sonst kaum jemand mehr tut. Live erreicht er sogar das Kaliber des Freejazz- Magiers Cecil Taylor. Unter Hammonds Art, den Blues zu interpretieren, erwacht das miefig-alte, stinklangweilige Zwölf-Takte- Schema zu neuem Leben. Den abgedroschensten Phrasen und ausgelutschtesten Riffs gewinnt er neue Dimensionen ab, verstaubte traditionelle Liedverse füllen sich mit Wirklichkeit und Sinn.

Fast jeder Song ist ein zynisch- ironisches Hadern mit dem Schicksal. Wenn Hammond den Mond anheult, mit der Zimmerwand spricht und Gift und Galle spuckt, wenn sich seine Stimme überschlägt und dazu die Stahlgitarre wimmert und winselt, dann nimmt man ihm jeden Buchstaben, jeden Ton seiner Lieder ab. Vor allem, wenn sie von den miesen, kleinen Szenen aus dem alltäglichen Beziehungskrieg handeln.

Auf seiner neuesten Einspielung, für die J.J. Cale als Produzent verantwortlich zeichnet, ist allerdings nur ein Titel im südlichen Stil der Bluesbarden gehalten (obendrein weit kontrollierter vorgetragen als auf der Bühne). Auf den anderen Tracks wird Hammond von zumindest einem Musiker begleitet – etwa dem Canned-Heat- Bassisten Larry Taylor –, wenn nicht sogar von einer ganzen Band (Little Charlie and the Nightcats), wobei sich die ländliche Urform dann in messerscharfen Rhythm & Blues der großstädtischen Art verwandelt.

John Hammond singt keine eigenen Songs, sondern schöpft sein Repertoire aus dem Fundus der Tradition. Er interpretiert Klassiker von Howlin' Wolf über Little Walter bis zu Blind Willie McTell mit so viel Hingabe, daß sie zu Liedern von heute werden. Da sage noch jemand, „white men can't sing the blues“.