Spekulationen über eine politische Wende

Mate Boban, „Präsident“ von „Herceg Bosna“, soll nicht mehr an den Genfer Verhandlungen teilnehmen / Entmachtung Bobans als Voraussetzung für kroatisch-bosnische Verhandlungen  ■ Aus Split Erich Rathfelder

Verwirrung stiftete die Nachricht nicht nur in den internationalen Medien, sondern auch in Kroatien: Ist der „Präsident“ der kroatisch-bosnischen Republik „Herceg Bosna“ von Kroatiens Präsident Tudjman entmachtet worden?. Bisher steht lediglich fest, daß Boban wie schon in Bonn bei den Gesprächen Tudjmans mit dem bosnischen Präsidenten Izetbegović auch in Genf nicht mehr Mitglied der kroatischen Verhandlungsdelegation sein wird. Boban wird bei den Gesprächen von Mile Akmadzić vertreten, der schon seit einigen Monaten in der Westherzegowina politisch die Fäden zu ziehen scheint. Mate Boban soll jedoch weiterhin Präsident der international nicht anerkannten Republik „Herceg Bosna“ bleiben.

Schon lange war es sowohl in Zagreb wie auch in Sarajevo klar, daß eine bosnisch-kroatische Wiederannäherung nur über die politische Entmachtung Mate Bobans vor sich gehen könnte. Denn Boban und die ihn stützenden Kräfte in der bosnischen HDZ – die in Kroatien Regierungspartei ist – waren es ja, die schon seit dem Sommer 1992 politische und militärische Spannungen mit der bosnischen Führung provozierten und eine Annäherung mit den bosnischen Serben betrieben. So sind schon im Sommer 1992 serbische Karadžić-Truppen und kroatische HVO-Truppen in der Region Kiseljak gemeinsam gegen Sarajevo vorgegangen. Mit der Ausschaltung der rechtsextremistischen, aber für eine Konföderation mit Bosnien eintretenden HOS und der Provokation von Scharmützeln mit bosnischen Truppen in Prozor (Oktober 1992) sowie dem Angriff auf Gornji Vakuf (Januar 1993) wurden die psychologischen Voraussetzungen für einen Krieg mit der bosnischen Armee gelegt. Mit dem Ultimatum Bobans vom 15. April des vergangenen Jahres, mit dem die bosnische Armee aufgefordert wurde, sich in den Gebieten, die gemäß des Vance-Owen- Plans den kroatischen Kantonen zugesprochen wurden, dem Kommando der kroatischen HVO zu unterstellen, wurde der Konflikt zwischen beiden Parteien zum offenen Krieg. Daß dann im Sommer die Muslime in den Regionen, die unter Bobans Kontrolle standen, mit Terror und Inhaftierung in Lager „gesäubert“ wurden, geht auch auf das Konto Mate Bobans.

Der bosnische Ministerpräsident Haris Silajdzic, aber auch der bosnisch-kroatische Politiker Stjepan Kljuić forderten schon lange die Ablösung Bobans als Voraussetzung neuer Gespräche. Auch die kroatischen Oppositionsparteien sehen in Boban einen Extremisten, der einem bosnisch-kroatischen Ausgleich entgegenstünde und daran Schuld habe, daß die zentralbosnischen Kroaten unter Druck geraten sind.

Tudjman, so einige Stimmen aus Zagreb, sei angesichts der Forderungen Karadžićs, Sarajevo zur Hauptstadt eines serbischen Bosniens zu machen, und den jüngsten serbischen Angriffen auf die Stadt Olovo von seinen Illusionen bezüglich kroatisch-serbischer Absprachen über die Teilung Bosniens befreit worden. Darauf könnte auch das Angebot einer Konföderation mit Restbosnien hinweisen.