Doppelter Wandel in China

Chinesische Rüstungsschmieden müssen von der militärischen auf die zivile Produktion und vom Sozialismus auf Kapitalismus umstellen  ■ Aus Xian Sheila Tefft

Zhang Jinru und seine Manager-Kollegen aus hunderten von Rüstungsfirmen müssen auf Befehl der Regierung ihre Produktion auf zivile Güter umstellen und damit Gewinne erwirtschaften. Zhangs Firma, Yuandong Maschinenbau, verlegt sich beispielsweise von Flugzeugkontrollsystemen auf Kompressoren und Pumpen für die Erdölgewinnung.

Die Abhängigkeit vom Militär bleibt jedoch. Für den Export ist der Yuandong-Manager auf einen Vermittler des Militärs angewiesen, und die Firma muß Militäraufträge zu Preisen erfüllen, die die Kosten nicht decken. Zhang muß zudem praktisch eine Kleinstadt mit Krankenhaus, Schulen, Gerichten und sogar einer Flakbatterie unterhalten. „Ich glaube nicht, daß der Geschäftsführer von Boeing so etwas finanzieren muß“, bemerkt er. Jedes Jahr muß der Manager Dutzende entlassener Soldaten aufnehmen, darf jedoch seine ohnehin aufgeschwemmte Belegschaft von 10.000 Leuten nicht vermindern. Er würde sich auch angesichts des Temperaments chinesischer Arbeiter wohl gar nicht trauen, das überflüssige Drittel des Personals zu entlassen: „Manager sind bei so etwas sehr vorsichtig, weil sie um ihre persönliche Sicherheit fürchten“, erklärt ein Ingenieur.

Nach Regierungszahlen beschäftigen die über tausend großen und mittelgroßen Verteidigungsunternehmen – zahlreiche kleinere Unternehmen mit weniger als tausend Arbeitern nicht mitgezählt – drei Millionen Menschen. Die Produktion an zivilen Gütern konnten sie um jährlich 20 Prozent erhöhen, seit die Regierung ihnen vor 15 Jahren den Auftrag zur Umstellung erteilte. Zivile Produkte wie Motorräder, Nähmaschinen, Kameras, Fernseher und Kühlschränke machen inzwischen 65 Prozent der Produktion des Rüstungssektors aus. China behauptet, 70 Prozent seiner Militär-Unternehmen hätten sich auf die zivile Produktion umgestellt. Westliche Experten schätzen jedoch, daß die wahre Zahl näher bei 40 Prozent liegt.

Der Großteil dieser Unternehmen liegt in den unzugänglichen Inlandsprovinzen Sechuan, Shaanxi und Hopei, wohin sie in den sechziger Jahren zum Schutz vor ausländischen Angriffen verlegt wurden. Dort stellen sie nun erfolglos minderwertige Konsumprodukte her, die nicht zu den Wachstumsmärkten an der Küste gelangen können. Früher machte die Rüstungsproduktion zehn Prozent des chinesischen Bruttosozialprodukts aus. Jetzt kommen zwei Drittel der Betriebe entweder nur knapp über die Runden oder sind sogar mit schweren Schulden beladen.

„Sie machen einen doppelten Wandel durch, von der militärischen zur zivilen Produktion und von der bequemen Welt des Sozialismus zum Kapitalismus“, sagt John Frankenstein, ein Spezialist für Rüstungskonversion an der Management-Akademie der Universität Hongkong. Regierungsreformer „hätten es gerne, wenn einige von ihnen demonstrativ pleite gingen. Aber die nationale Verteidigung und Souveränität sind einfach zu heiße Themen.“

Der Auftrag zur militärischen Modernisierung Chinas verschärft noch den Druck. Es wird von den Firmen erwartet, daß sie über ein Drittel ihrer Gewinne an die Regierung weiterleiten. Das gewaltige wirtschaftliche Rüstungsimperium verleiht dem Militär zunehmende ökonomische und politische Autonomie von der Kommunistischen Partei. Viele militärische Einheiten betreiben kleine, unprofitable Firmen, die außerhalb der Kontrolle Pekings stehen. Neue Betätigungsbereiche des Militärs reichen bis hin zu Hotels, Kaufhäusern und Grundstücken.

Die China North Industries Group (Norinco) gehört zu den größten Militär-Konglomeraten. Die Gruppe wurde vor fünf Jahren vom Ministerium gebildet und stellt Armeematerial her, darunter Panzer, Kleinwaffen und Artillerie. Sie besitzt ein Imperium von über 150 Unternehmen, 60 Firmen in Übersee, zahlreiche Forschungszentren und 600.000 Beschäftigte. Aber zwei Drittel ihrer Unternehmen machen Verluste. Bei der Dongfang-Maschinenbaufabrik, einem Munitionshersteller der Norinco in Xian, der laut einigen Quellen Zündsysteme für Raketen produziert, wird Besuchern ein verstaubter Ausstellungsraum voller Motorräder, Uhren und anderer unverkäuflicher Produkte gezeigt.

Da in China neues Kapital praktisch nicht aufzutreiben ist, sucht Dongfang verzweifelt nach ausländischer Hilfe für die Konversion. „Wir haben uns auch ideologisch umgestellt, damit wir für ausländische Investitionen interessanter werden“, sagt Fabrikdirektor Song Shubin. Aber die Umstellung leidet unter der Zurückhaltung der USA und anderer westlicher Länder, Hochtechnologie an China zu liefern.

Die chinesischen Waffenexporte sind anscheinend zurückgegangen. In den achtziger Jahren verdiente China laut dem Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm über 15 Milliarden Dollar durch den Export schwerer Waffen nach Pakistan, in den Iran, den Irak und andere Länder. Noch im letzten August verhängten die USA als Reaktion auf den angeblichen Verkauf chinesischer Raketen an Pakistan eine Liefersperre über einige Technologiebereiche.

Westliche Experten befürchten, einige Militär-Konglomerate seien wirtschaftlich stark genug, um unabhängig von Pekings Kontrolle zu exportieren. Norinco gibt den Export konventioneller Waffen offen zu und berichtet sogar von Joint Ventures in der Waffenproduktion mit amerikanischen, britischen und anderen westlichen Firmen. Aber dieser Waffenhandel weckt Mißtrauen bei potentiellen Investoren aus dem Westen; sie befürchten auch Ärger mit den USA, falls sie sich in der chinesischen Rüstungsindustrie engagieren. Dongfang beispielsweise stieß auf Ablehnung, als die Firma japanische Technologie importieren wollte, um Kompressoren für Kühlschränke herzustellen, ihr wichtigstes ziviles Produkt. Nun wenden sich Firmen wie Dongfang und Yuandong zunehmend an Rußland, um zivile und Rüstungstechnologie zu beschaffen.

Die Aufträge des Militärs bedeuten für selbständig denkende Manager wie Zhang von Yuandong oft mehr Ärger, als sie einbringen. Zwar stiegen die Umsätze von Yuandong in diesem Jahr von 22 auf 33 Millionen Dollar, aber der Manager beobachtet mißmutig, wie sein magerer Gewinn aus der zivilen Produktion von einer Million Dollar von dem 50prozentigen Defizit in der Rüstungsproduktion zunichte gemacht wird. „Die zivile Produktion bedient sich der Ausrüstung der alten Rüstungsunternehmen. Daher gilt es als selbstverständlich, daß die Profite aus der zivilen Produktion umgekehrt auch dem Militär zugute kommen“, sagt er. „Aber wenn sich das nicht ändert, werden die Unternehmen sich weigern, militärische Aufträge auszuführen.“