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„Wir sind der Humus“

■ Freies Theater auf dem „Podium 1“

Welche ästhetische und politische Eigenständigkeit hat freies Theater heute? Das zu beantworten, trafen sich am ersten sonnigen Sonntag des Jahres fünf Theatermacher auf Kampnagel vor einem erstaunlich großen Publikum. Das Podium 1, dem ersten einer Reihe von Gesprächen, in denen Künstler und Politiker die Organisation künstlerischer Produktivität diskutieren werden, begann mit einer Begriffs- und Standortbestimmung.

„Freies Theater“, so Ludger Schnieder vom Kulturzentrum Pumpenhaus Münster, sei angesichts von jährlich 2.300 freien Produktionen in Deutschland bestenfalls ein Sammelbegriff. „Zusammengehalten werden sie doch nur durch die k.u.k.-Logik: kein Geld und kaum Probenräume.“

Nicht nur die qualitativen Unterschiede der freien Inszenierungen, sondern vor allem die verwischende Grenze zu experimentellen Produktionen der Staatstheater erschwert die Bestimmung der ästhetischen Eigenständigketi der Freien. „Die guten Sachen sind rübergegangen, die schlechten geblieben“, beklagt Regisseurin Barbara Bilabel (Gruppe Babylon) die Bewegung zwischen alternativer Szene und Institution. Doch die Erneuerung des Mainstreams durch Subkultur und Avantgarde sollte als Fortschritt begrüßt werden und so plädierte die Regisseurin Gabriella Bußacker (Rauschen) dafür, das Jammern zu lassen und lieber der Kulturpolitik die Wichtigkeit künstlerischer Laborphasen begreiflich zu machen. „Wir sind der Humus, aus dem neue ästhetische Formen wachsen.“

Der Feind aus der Gründungsphase des Freien Theaters (Staat und -stheater), so war man mit Autor Florian Felix Weyh einig, existiere als solcher nicht mehr. Nach einer leidigen Publikumsdiskussion über Staatsgeld für Minderheitenkunst wandte man sich endlich den neuen Aufgaben und eigenen Möglichkeiten zu. Wie kriegt man die Leute heute ins Theater? Regisseurin Eva-Maria Martin (Wildpark) schwört auf die nicht-arbeitsteiligen Produktionsformen und den auratischen Ort der freien Gruppen, Barbara Bilabel nennt das Konzept: „Augen auf und durch! Weit auf!“ Christiane Kühl

“Podium 2“ zur Kulturpolitik, 23. Januar., 17 Uhr, K2

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