: Finanzierungslöcher im Arbeitsressort
■ Stammkräfteprogramm 1994 schon jetzt im Defizit / Planungschaos und Rechenschwäche
Wie in alten Zeiten: Das Haushaltsjahr beginnt, und schon jetzt ist absehbar, daß die Arbeitssenatorin mit dem Geld nicht hinkommt. Und wie gehabt: Das Nachsehen werden die Projekte haben, die ihrerseits mit dem Arbeitsressort rechnen müssen. Im vorliegenden Fall trifft es die Beschäftigungsträger, das sind ABM-Projekte, die sich vor allem um Langzeitarbeitslose kümmern. Zur Absicherung dieser Projekte hat Bremen das „Stammkräfteprogramm“ aufgelegt. Die Stammkräfte sollen vor allem die Verwaltung der Projekte stellen. Drei Millionen Mark stehen dafür im Haushalt 1994, doch Papier ist geduldig, denn schon jetzt fehlt von diesen drei Millionen eine. Die ist im letzten Jahr verfrühstückt worden.
Noch bei den Haushaltsberatungen im Dezember war der Etat von Sabine Uhl aufgestockt worden. Das Ressort hatte bedauernd damit herausgerückt, daß im Topf für die Stammkräfte rund 450.000 Mark fehlten. Also bekam dieser Posten noch einen Nachschlag: Statt 2,5 Millionen Mark beschloß die Bürgerschaft drei Millionen für das Stammkräfteprogramm. Aber keine vier Wochen später ist auch diese Rechnung Makulatur. Der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV), in dem einige der Beschäftigungsträger organisiert sind, hat nachgefragt und vorgerechnet: Mit der Endabrechnung aus dem vergangenen Jahr müssen nicht 450.000, sondern eine Million Mark beglichen werden.
1993 waren noch gute zehn Millionen Mark im Topf. Doch aus den Endabrechnungen blieben zehn Prozent offen, die Million, die jetzt, wo das Programm auf drei Millionen zusammengeschrumpelt ist, besonders wehtut. Selbst wenn die Milchmädchenrechnung mit zehn verschobenen Prozent weitergemacht wird und damit 300.000 Mark Schulden nach 1995 weitergeschaufelt werden, bleibt immer noch ein Loch von 700.000.
Und die Projekte sind sauer. Paul Schröder vom Förderwerk gegen Jugendberufsnot: „Die hätten das im März letzten Jahres sagen können. Das Ressort hat schließlich die Abrechnungen und kennt die Bewilligungszeiträume.“
Etwa 50 Anträge liegen beim Arbeitssenator. Geplant wird im Hause Uhl nun aber lediglich mit der Bewilligung von 18 Stellen, weil für mehr das Geld nicht reicht. Manche Projekte kann die Rechenschwäche im Arbeitsressort die Existenz kosten. Beispiel Planungswerkstatt: Wenn dort die Verwaltungsstellen nicht wieder besetzt werden, dann heißt es Land unter. Jutta Herdzin, zuständig für die Stammkraftplanung: „Dann können wir den Laden dichtmachen.“ Am 23. Dezember hatte sie erfahren sollen, wieviele Stellen bewilligt werden. Doch bis heute gibt es keinen Bescheid, obwohl die Stellen zum 31.12. ausgelaufen sind. Vorsorglich ist den Verwaltungskräften gekündigt worden. Um den Betrieb nicht ganz zusammenbrechen zu lassen, zahlt der Verein Planungswerkstatt für zwei Beschäftigte weiter Gehalt - in der Hoffnung auf einen positiven Bescheid.
Nun warten alle Träger auf kommenden Donnerstag. Dann nämlich tagt die Arbeitsdeputation, und da sind die Stammkräfte Tagesordnungspunkt eins. Was das Ressort plant, das bleibt bis dahin geheime Kommandosache. Ressortsprecher Jörg Henschen wollte vor dem Donnerstag keine der Zahlen bestätigen. Und die Deputierten warten auf eine Tischvorlage.
Jochen Grabler
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