■ Nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen:
: Eine Frau für Finnland?

Die Finninnen und Finnen haben überrascht. Bei den ersten direkten Präsidentenwahlen hievten sie eine Frau auf den zweiten Platz. Und Elisabeth Rehn hat vor der Stichwahl die besten Aussichten, das Rennen zu machen. Obwohl sie zur schwedischsprachigen Minderheit gehört und eine Fünf-Prozent-Partei repräsentiert. Frau Rehn bestach im Wahlkampf weniger durch ihre politischen Ansichten als durch ihre eigenwillige Persönlichkeit. Sie war loyale Ministerin der unpopulären Mitte-Rechts-Regierung, hatte aber dennoch die höchsten Popularitätswerte. Enthusiasmus hat sie allerdings ebenso wenig hervorgerufen wie alle anderen KandidatInnen.

Finnland steht vor schwierigen Zeiten. Die ökonomische Krise ist die schwerste seit der Unabhängigkeit, die Arbeitslosenquote liegt bei 20 Prozent. An der 1.300 Kilometer langen Ostgrenze zur russischen Föderation sind, statt der erhofften, dauerhaften Entspannung, dunkle Wolken heraufgezogen. Der neue Staatspräsident wird Finnlands außenpolitische Linie zwischen dem neuen Rußland und einem Europa, in dem das Land sich gleichzeitig integrieren will, finden müssen.

Nach der Verfassung, die dem französischen Präsidialsystem nachempfunden ist, hat er in der Außenpolitik das Sagen. Sowohl der Berufsdiplomat Ahtisaari als auch die Verteidigungsministerin Rehn haben in der Außenpolitik ihre politischen Schwerpunkte. Keinem der beiden Kandidaten wird zugetraut, in die großen Fußstapfen eines Kekkonen oder Koivisto treten zu können. Es rächt sich, daß die KandidatInnenkür zu einer Zeit stattfand, als man – im Honigmond der Entspannung – den künftigen Präsidenten nur noch als Repräsentationsfigur sah. Die zweite Garnitur kam zum Zuge.

Elisabeth Rehn war vorgeworfen worden, nur aus parteipolitischer Taktik ins Amt der Verteidigungsministerin geschoben worden zu sein. Schnell hatte sie jedoch die Generäle durch eigenständiges Denken das Fürchten gelehrt. Nicht nur, weil sie es für selbstverständlich hielt, daß die Kasernentoiletten endlich Türen bekamen, auch anderen altehrwürdigen Kommiß-Bräuchen rückte sie auf den Leib. Doch steht sie auch für so umstrittene Zugeständnisse an die Militärs wie die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge. Und sie unterscheidet sich in nichts von der EU-Euphorie ihres Rivalen Ahtisaari. Elisabeth Rehn war weder aktiv noch passiv in eine der zahlreichen Schlammschlachten der finnischen Innenpolitik verwickelt. Noch wichtiger für ihr gutes Abschneiden in der ersten Runde und ihre steigenden Chancen für die Stichwahl ist, daß die WählerInnen in ihr ein Stück Unberechenbarkeit verkörpert sehen. Reinhard Wolff