■ Assads Erklärung nach dem Gespräch mit Clinton
: Syrische Normalitäten

Das Schlüsselwort aus dem Mund des syrischen Staatschefs lautete schlicht: „Normal“. – Am Ende seiner Unterredung mit US-Präsident Clinton erklärte Hafis el-Assad, Syrien sei bereit für „normale und friedliche Beziehungen“ zu Israel. Auf Ausführungen, was er darunter versteht, verzichtete er. Legt man jedoch den Maßstab internationaler Gepflogenheiten an, so bedeutet dies offene Grenzen, freien Handel und den Austausch von Botschaftern. Genau dies waren bisher die von Israel gestellten Bedingungen für einen Abzug vom Golan.

Der mittlerweile 63jährige gelernte Kampfflieger hat den Schwenk vom unerbittlichen Gegner Israels zum Verhandlungspartner schrittweise vollzogen. Als der Zusammenbruch der Sowjetunion absehbar war, wechselte Assad vom Klienten Moskaus zum Partner des Westens. Während des zweiten Golfkriegs kämpfte eine symbolische syrische Streitmacht unter US-amerikanischem Oberbefehl gegen die Iraker. Es folgte eine vorsichtige wirtschaftliche Öffnung, die es vor allem europäischen Firmen erlaubte, in Syrien Fuß zu fassen, darunter auch ein deutscher Telekommunikationsriese.

Für die Mutation zum Friedensstifter ließ sich Assad besonders viel Zeit. Vor zwei Jahren tauchten in Damaskus die ersten Propagandaplakate auf, auf denen ihm neben den bisherigen „Ehrenbezeichnungen“ „Oberster Feldherr der Nation“ und „Kämpfer für die arabische Sache“ der Titel „Held des Friedens“ verliehen wurde. Der bisher von den syrischen Medien gepredigte Haß auf die „zionistischen Besatzer und Unterdrücker“ wird als vielleicht einziges Element der staatlichen Propaganda von der syrischen Bevölkerung weitgehend geteilt. Assads Äußerung in Genf – „Wir haben ehrenhaft gekämpft, ehrenhaft verhandelt, und wir werden ehrenhaft Frieden schließen“ – läßt erahnen, wie er ihr nun einen Friedensschluß verkaufen will, ohne seine Macht zu gefährden.

Vor allem unter den mehreren Hunderttausend in Syrien lebenden PalästinenserInnen dürften Assads Äußerungen in Genf für Unruhe gesorgt haben. Schließlich residieren in Damaskus jene Palästinenserorganisationen, die ein Abkommen mit Israel ablehnen. Sie bildeten bisher die „palästinensische Karte“ in Assads Nahost-Spiel. Vor einem Friedensschluß wird er sie fallenlassen. Wie zu Zeiten des Golfkriegs werden dann wieder syrische Geheimdienstler in den Palästinenservierteln stehen und die berüchtigten syrischen Kerker von „Präventivhäftlingen“ überquellen. Denn bei aller international honorierten außenpolitischen Flexibilität haben sich Assads Herrschaftsmethoden in 23 Jahren nicht verändert. Sie sind – siehe die Jahresberichte von amnesty international – alles andere als „normal“. Thomas Dreger