Ein Gärtchen Eden für die Scherbenkunst

■ Ein Platz für hausgemachte Mosaiken, am Rand des Vegesacker Stadtgartens: mehr als nur die reine Zierde

Wäre das nicht schick: ein paar bunte Mosaiken in den Beton der Grohner Düne drücken; ein bißchen Farbe ins Grau der Wohnsilos bringen – da sähe die Welt doch gleich ganz anders aus. Aber als Kosmetik wollten die Initatoren der Vegesacker Mosaikwerkstatt ihre Arbeiten dann doch nicht hergeben. Was vor zwei Jahren im „Kulturbahnhof“ am Fuß der Betondüne entstand, hat nun im Vegesacker Stadtgarten seinen Platz gefunden. Einen ganz neuen noch dazu. Wo vormals Kraut, Rüben und ein paar Wasserpflanzen ihr eher bescheidenes Dasein am Rande des historischen Gartens führten, bilden die rund 120 Mosaiken den Flaneuren nun ein neues Plätzchen, und man muß sagen: ein schmuckes und idyllisches.

Dabei waren die Scherbenbilder gar nicht für eine öffentliche Dauerausstellung gemacht. Die Werkstatt war zunächst eine Idee der Kunstpädagogin Sabine Gedenk, dann ein Projekt des „Vereins zur Förderung für kulturelle Breitenarbeit“. Was dann binnen zwei Monaten im Kulturbahnhof entstand, unter den Händen von zuletzt 160 beherzten Amateuren – das überzeugte die Orts- und Kulturpolitiker derart, daß die Mosaiken dauerhaft vor Ort verbleiben sollten. Der Rest war nur noch eine Frage von Jahren.

Denn mit dem Platz für die Mosaiken taten sich die beteiligten Behörden und Volksvertreter recht schwer. U.a. machte die Gewoba den Vorschlag, die guten Stücke tatsächlich in die Grohner Düne einzubauen. Schließlich tat sich das vergessene Plätzchen am Ende des Stadtgartens auf; für 75.000 Mark (von der Stiftung „Wohnliche Stadt“) dachten sich die Künstler Jörg Rennert, Manfred Hinken und Stephan von Borstel ein Konzept aus, wie die Mosaiken denn nutzbringend in den Garten einzupflanzen seien.

Denn es galt, trotz aller Kunst möglichst nicht die Aussicht aufs Wasser zu verstellen, „nicht eine Barriere aus Mauerwerk zu schaffen“, sagt Sabine Gedenk. Also haben die Künstler die schwergewichtigen Mosaiken recht luftig drapiert. Zwischen den knorrigen Pappeln lugen listig Stelen hervor, aus mehreren Werken zusammengesch weißt: grelle Masken, dämonische Fratzen und Fantasiewesen. Andere Mosaiken säumen die Wege durch den Garten und laden zum Betreten der Kunst ein. Schließlich schmücken kleinere Scherbenstücke den seltsam klobigen Brunnen, der bis dato eigentlich kaum mehr als ein unförmiges Bassin darstellte. Damit wird eingelöst, was die Initiatorin anfangs ihres Projekts als „organische Architektur“ beschrieben hatte: eine Kunst, die in ihrem filigranen Charakter ganz dem Brutalismus der Betonburgen entgegensteht, und die sich nun mit gewachsener Natur verbindet.

Natürlich ist das nicht spektakulär, und allerhöchste künstlerische Ansprüche legt auch Sabine Gedenk nicht an die Mosaiken an. Auf die handelsüblichen Künstlernamensschilder an jeder Einzelplastik hat man verzichtet; die meisten Mosaiken sind ohnedies Gemeinschaftsarbeiten. Genau dieser kollektive Gedanke kommt in der neuerlichen Aufstellung herüber. In der Zusammenschau ergibt sich tatsächlich mehr als ein bloßer dekorativer Effekt. Die Mosaiken sind zwar motivisch und farblich eingepaßt in die Gartenlandschaft – Schildkröten und Fische finden sich am Teich wieder, Schiffchen vor Schilfrohr – aber setzen auch eigene Akzente und behaupten sich gegen die mächtig einherwuchernde Natur. Schließlich ist das Zeug auch noch wind- und wetterfest. Ein wenig dick aufgetragen wirken die hübschen Dinger dort, wo sie allzu feierlich zu hochaufragenden Stelen aufgetürmt werden. Entlang der alten wie neuen Wege aber kommen die Mosaiken wie ganz natürlich ihrem ursprünglichen Auftrag nach: eine Zierde zu sein für die gebaute und natürlliche Umwelt. Das gefällt den Vegesackern, so ist zu hören. Nur: Warum einige Besucher vor Begeisterung immer wieder an den Steinchen schnuppern, das ist den Initiatoren ein Rätsel. Thomas Wolff