Pieroth verhängt Haushaltssperre

■ Bundesregierung kürzt Berlinhilfe für 1994 um 642 Millionen Mark / Stopp für Neueinstellungen und Investitionen

Noch am Freitag feierte der Regierende Bürgermeister Diepgen die endgültige Festlegung des Regierungsumzugs als einen „Tag der Glaubwürdigkeit für die deutsche Politik“. Inzwischen beschleichen ihn wieder Zweifel an dieser Glaubwürdigkeit. Denn während die Partei- und Fraktionsvorsitzenden bei Kohl die Summen festlegten, die für die Regierungsneubauten nach Berlin fließen, wurde im Finanzministerium die Bundeshilfe für 1994 zusammengestrichen. Am Montag abend beschloß das Bundeskabinett deren zusätzliche Kürzung um 642 Millionen Mark. Offiziell wurde der Senat davon bislang nicht in Kenntnis gesetzt. Ein, wie Diepgen fand, „unmögliches Verfahren“. Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) kündigte Widerstand in Bonn an, so könne man mit einer Landesregierung nicht umgehen. Der stufenweise Abbau der Berlinhilfe war bereits mit der Einheit beschlossen worden. Danach stand Berlin für 1994 noch eine Rate in Höhe von 6,2 Milliarden Mark zu, die fest in dem im Dezember beschlossenen Haushalt einkalkuliert ist.

Das nun plötzlich auftretende Haushaltsloch hat Finanzsenator Elmar Pieroth gestern veranlaßt, eine sofortige Haushaltssperre zu verhängen. In einem Rundschreiben hat er alle Senatsverwaltungen, Bezirksämter und Behörden des Landes angewiesen, daß nur noch „unbedingt notwendige Ausgaben zur Erhaltung bestehender Einrichtungen, zur Erfüllung gesetzlicher Aufgaben und rechtlicher Verpflichtungen, zur Weiterführung von Baumaßnahmen und zur Aufrechterhaltung einer ordnungsmäßigen Tätigkeit der Verwaltung geleistet werden dürfen“. Freiwerdende Stellen dürfen ebensowenig besetzt werden, wie Mittel für freie Mitarbeiter beansprucht werden können. Auch neue Investitionen sind vorerst auf Eis gelegt. Mit seinem Ukas will Pieroth verhindern, „daß noch schnell hochrangige Verträge geschlossen werden“, die das Land finanziell binden.

Am Donnerstag tritt das Finanzkabinett zusammen, um über die notwendigen Sparmaßnahmen zu beraten. Neben den 642 Millionen Mark gekürzter Bundeshilfe wird es einen Ausgleich für 102 Millionen Mark finden müssen, die der Bund ursprünglich für die Berliner Kultur zugesagt hat, nun aber nicht mehr zahlen will. Weitere 600 Millionen Mark werden nach Berechnungen der Sozialverwaltung auf den Landeshaushalt zukommen, wenn die Zahl der Bürgerkriegsflüchtlinge in der Stadt nicht abnehmen sollte. Zur Zeit wird mit dem Bund über eine 50prozentige Beteiligung an diesen Kosten verhandelt. Dieses „Haushaltsrisiko von über einer Milliarde Mark“ soll in einem Nachtragshaushalt aufgefangen werden, der in acht Wochen beschlossen werden soll. Dabei sei, so Pieroth, eine Erhöhung der Nettoneuverschuldung nicht ausgeschlossen.

Die Sparbeschlüsse führen auch dazu, daß der Palast der Republik ein Jahr länger als geplant stehen bleibt. Auch wird die Renovierung der Marx-Engels-Kaserne nicht wie geplant in Angriff genommen. Hauptstadtbedingte Bauprojekte, so versicherte jedoch ihr Sprecher Jörg Ihlau, seien von den Sparmaßnahmen nicht betroffen. Dieter Rulff