„Einstellung aller Feindseligkeiten“

■ Zapatistas reagieren auf Regierungsangebot / Brief an Präsident Clinton: „US-Hilfe wird gegen Indianer eingesetzt“

Mexiko-Stadt (taz) – Die Zapatistische Nationale Befreiungsfront (EZLN) hat am Montag in einer ersten Stellungnahme auf das Verhandlungsangebot der Regierung Mexikos reagiert. „Wir kennen den Herrn Camacho zwar nicht“ – bekennen die Autoren des EZLN-Kommuniqués –, „aber wenn diesem Herrn wirklich und ehrlich daran gelegen ist, eine politische und gerechte Lösung zu finden, begrüßen wir seine Ernennung.“ Diesem unerwartet versöhnlichen Ton folgt im nächsten Absatz allerdings eine deutliche Drohung: Sollten sich die Dialogangebote der Regierung als „leere Worte des Betrugs“ herausstellen, so „werden wir in den nächsten Tagen unseren aktiven Truppen und den Reserveeinheiten den Befehl geben, all die Städte anzugreifen, die in ihrer Reichweite liegen“.

Am selben Vormittag gab dieser „Herr Camacho“ – der von Präsident Salinas zur Befriedung des Chiapas-Konfliktes eingesetzte „Friedensemmissär“ Manuel Camacho Solis – in San Cristóbal bekannt, daß er gerade die lang erwartete „offizielle Botschaft“ der Zapatisten-Guerilla erhalten habe. In dem bisher nicht zur Veröffentlichung freigegebenen Schreiben seien die ursprünglichen Forderungen der Zapatisten ausgeführt; diese Vorschläge seien „grundsätzlich verhandelbar“. Nach seiner Rückkehr in die Hauptstadt traf Camacho am Montag abend mit Präsident Salinas und anderen Kabinettsmitgliedern „zur Beratung“ zusammen.

In ihrem Schreiben befiehlt die Kommandozentrale – das „Klandestine Indianische Komitee“ – ihren „regulären und irregulären Truppen“ die Einstellung aller Feindseligkeiten gegen die Bundessoldaten, ihre Kasernen oder Stützpunkte. „Auf gar keinen Fall“ aber würden die Waffen niedergelegt oder die Truppen aufgelöst. Dieser Waffenstillstand, so das EZLN-Kommuniqué, diene dazu, „die Situation der Zivilbevölkerung zu erleichtern“ und „Wege für den Dialog mit allen progressiven und demokratischen Sektoren Mexikos freizumachen“.

Auch das Weiße Haus kam am Montag in den Genuß eines persönlich an Bill Clinton gerichteten Schreibens. Darin weisen die Zapatistas darauf hin, daß die mexikanische Regierung die wirtschaftliche und militärische Hilfe der USA dazu benutze, um „die chiapanekischen Indianer zu massakrieren“. Insbesondere die Hilfe zur Drogenbekämpfung werde gegen die Aufständischen eingesetzt. Diese jedoch hätten weder mit dem Drogenhandel noch mit dem Terrorismus zu schaffen. „Es ist unser Recht, für ein Leben in Würde zu kämpfen“, schrieben sie dem Präsidenten.

Die politischen Entscheidungen in Mexiko beschleunigen sich dieser Tage zusehends. Schon am Dienstag – nach Redaktionsschluß – wollte Manuel Camacho Salis die „offizielle“ Reaktion der Regierung auf die EZLN-Botschaft bekanntgeben. Und auch der seit Beginn des Konflikts geforderte Rücktritt des Interims-Landeschefs von Chiapas, Elmar Setzer, ist offensichtlich beschlossene Sache: Funktionäre der Staatspartei PRI versicherten gegenüber der Presse, der wenig beliebte Gouverneur würde erst wieder öffentlich in Erscheinung treten, um seinen Rücktritt zu präsentieren, höchstwahrscheinlich „noch vor Ende dieser Woche“. Das Problem sei zur Zeit jedoch, einen geeigneten Ersatzmann zu finden. Anne Huffschmid