Zum Schluß voll ins Fettnäpfchen getappt

■ In Italien sind ohne Verfassungsbruch keine Neuwahlen mehr möglich

Rom (taz) – Kaum zwei Stunden waren seit der Auflösung des Parlaments durch Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro vergangen, da tappte die Regierung Ciampi, bislang recht honorig aus ihrer kurzen Amtszeit hervorgegangen, in ein ausschließlich von ihr selbst ausgelegtes Fettnäpfchen: Da sie verfassungsgemäß den Wahltermin festsetzen muß und dieser, wiederum laut Konstitution, zwischen 45 und 70 Tagen nach Auflösung des Parlaments liegen muß, gedachte sie mit einem „mittleren“ Termin allen gerecht zu werden und legte den 27. März fest.

Der Knall war so laut, daß er ganz Italien erschütterte – und er war zu erwarten, denn gewarnt hatten gerade vor diesem Termin viele. Er liegt nämlich genau am jüdischen Passahfest, und an diesem – wie dem folgenden – Tag ist Juden das Schreiben verboten, was auch den Wahlzettel betrifft. Da andererseits der Schutz der Minderheiten auch deren kultische Bräuche umfaßt, steht der Wahltermin eindeutig im Gegensatz zur Verfassung. Ciampi entschuldigte sich damit, daß der 20. März zu früh liege – tatsächlich waren bei früheren Wahlen oft noch Korrekturen wegen falsch ausgedruckter Stimmzettel vonnöten gewesen –, der 10. April als letztmöglicher Termin aber allzu spät. Der 3. April sei Ostern, und das wolle man wiederum den Katholiken nicht zumuten – obwohl die durchaus zur Wahl gehen könnten.

Die Jüdische Gemeinde hat daraufhin Verfassungsklage angekündigt, und es ist höchstwahrscheinlich, daß sie recht bekommt; so dachte Ciampi Montag und Dienstag eifrig über einen Ausweg nach – und hat ihn auch gefunden, meint er jedenfalls: Er verlängert den Wahltag einfach um 24 Stunden, so daß man auch noch am Montag, den 28. März, bis 22 Uhr zur Urne gehen kann, was den Juden die Teilnahme erlauben würde – nach Einbruch der Dunkelheit dürfen sie wieder schreiben.

Das Problem dabei: Auch dieser Weg ist verfassungswidrig, weil Ciampi damit ein geltendes Gesetz per Regierungsverordnung ändert – das Parlament ist ja bereits aufgelöst –, und das ist gerade beim Wahlgesetz aus guten Gründen besonders scharf verboten. Jede Regierung könnte so am Gesetzgeber vorbei Wahlgesetze nach ihrem Gutdünken und Vorteil ändern.

Um das Dilemma komplett zu machen, haben nun auch die Katholiken den Wahltermin kritisiert: Sie sehen die Teilnahme an den traditionellen Palmsonntagsprozessionen in Gefahr. Insbesondere in Bologna sei dies ein schwerwiegendes Problem, sagte der dortige Kardinal, weil dort anläßlich des Weltjugendtages ein bereits seit Jahren vorbereitetes Jugendtreffen stattfinde. Werner Raith