Hardthöhe: Portemonnaie auf Halbmast

■ Regierung einigt sich auf Etatkürzungen Bundeswehr minus 1,25 Milliarden Mark

Bonn (taz) – Wirtschaftspolitischer Aktivismus in der Bundesregierung: Nach dem Fünf-Milliarden-Sparpaket vom Montag abend verständigte sich die Koalition gestern auf ein „Aktionsprogramm Wachstum und Beschäftigung“, das noch in dieser Woche auf den Gesetzesweg gebracht werden soll. Mit dem Sparpaket folgten Kassenchef Theo Waigel (CSU) und seine Ministerkollegen einer Auflage des Haushaltsausschusses, der eine globale Minderausgabe von fünf Milliarden Mark über den Bundeshaushalt 1994 verhängt hatte, um den Trend zur unkontrollierten Staatsverschuldung zu bremsen.

Mit 1,25 Milliarden Mark besetzt das Verteidigungsministerium den Spitzenplatz der Sparliste, die die Ministerrunde beschlossen hat. Wie die Summe zustande kommt, bleibt Volker Rühe überlassen, der nun wie die anderen Bonner Ressortchefs das festgelegte Sparvolumen in eigener Regie umsetzen muß. Mit anderthalb blauen Augen sei man davongekommen, hieß es auf der Bonner Hardthöhe. Denn Ende letzten Jahres waren noch 2,4 Milliarden Sparvolumen im Gespräch gewesen. Zwar sieht Rühe nun die Einsatzbereitschaft der Truppe gesichert. Der Rotstift soll vorzugsweise bei Renovierungs- und Neubaumaßnahmen angesetzt werden. Doch natürlich ist für den Verteidigungsminister nunmehr „die absolute Spitze erreicht“, wie er in Bonn erklärte.

Zu den Großsparern gehört erneut das Arbeitsministerium. Soziale Leistungen sollen jedoch, trotz der 400 Millionen, die die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit einsparen soll, nicht weiter gekürzt werden. Kürzungen im Nürnberger Etat, wie der geplante Stellenabbau, treffen aber in jedem Fall die Arbeitslosen. 5.400 Stellen sollen nach Angaben aus Nürnberg in den kommenden Jahren in den westdeutschen Arbeitsämtern wegfallen. Das wäre jede zehnte Planstelle. Verkehrsminister Wissmann, der knapp 700 Millionen seines 55-Milliarden-Etats kürzen muß, gab sich zuversichtlich. Er will „quer durch den Haushalt“ sparen und hatte gleich ein Beispiel aus dem Leben parat: Kürzlich habe er festgestellt, daß bei einem Straßenbau auf beiden Seiten Lärmschutzwände gebaut worden seien, obwohl auf einer Seite überhaupt keine Bauten ständen.

Für mehr Beschäftigung und Existenzgründungen soll das „Aktionsprogramm“ sorgen. Teile des Maßnahmenkatalogs, der gestern den Fraktionen vorlag, hätten durchaus in das Sparpaket gepaßt. So sollen die ABM-Löhne kurzfristig auf 80 Prozent gesenkt werden. Vorgesehen sind die Zulassung privater Arbeitsvermittler und zusätzliche Teilzeitarbeitsplätze im öffentlichen Dienst. Der bisher nur in den neuen Ländern geltende Paragraph 249h des Arbeitsförderungsgesetzes soll nun auch in Krisenregionen der alten Bundesrepublik gelten. Arbeitslosenhilfeempfängern sollen Gemeinschaftsarbeiten mit einer Aufwandsentschädigung angeboten werden. Langzeitarbeitslose können zu Saisonarbeiten herangezogen werden. In den alten Ländern wird ein Eigenkapitalhilfeprogramm zur Existenzgründung wieder eingeführt. Für ausgewählte Förderbereiche will man ein zinsverbilligtes Kreditprogramm auflegen. Arbeitgebern, die illegal Arbeitnehmer beschäftigen, droht der Ausschluß von öffentlichen Aufträgen.

Die SPD kritisierte die Haushaltsbeschlüsse als „unzureichendes Flickwerk“ und forderte die Vorlage eines Nachtragshaushaltes. Die stellvertretende SPD- Fraktionsvorsitzende Ingrid Matthäus- Maier vermutete, daß ohne weitere Sparbeschlüsse die Neuverschuldung statt der geplanten 69 auf über 80 Milliarden DM steigen könnte. tib

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