■ Nachgefragt
: „Keine Militärlösung“

„Humanitäre Bellizisten? – Genozidale Pazifisten?“ heißt eine Diskussionsveranstaltung über den Krieg in Bosnien am Freitag um 20 Uhr im KITO in Vegesack. Erich Rathfelder, Osteuropa-Korrespondent der taz und Kurt Südmersen vom „Bund für soziale Verteidigung“ werdenüber militärischen Interventionen zur Beendigung von Kriegen streiten. Die taz sprach mit Kurt Südmersen

Es hieß mal „Frieden schaffen ohne Waffen“. Kann man da heute noch im Angesicht von Bosnien dran festhalten?

Kurt Südmersen: Natürlich, gerade im Angesicht von Bosnien muß man daran festhalten, denn Bosnien zeigt, daß Frieden schaffen mit Waffen unmöglich ist und zum Völkermord führt.

Zum Thema Bosnien heißt es, daß Pazifismus Drückebergerei sei.

Der Bund für soziale Verteidigung und andere pazifistische Organisation haben schon vor Beginn des Krieges mit Friedens- und Anti- Kriegs- Gruppen zusammengearbeitet und hier sehr viel getan. MitarbeiterInnen des Bundes für soziale Verteidigung sind immer wieder in allen Teilen Ex-Jugoslawiens gewesen und haben dort Arbeit geleistet, die deeskalierend wirkt. Die Pazifisten sind nicht stark genug, um den Krieg zu beenden, aber im Moment scheint auch niemand anderes dazu in der Lage zu sein.

Ist Pazifismus nicht eher eine langfristige Strategie? Die Leute in Zentralbosnien werden ja nicht erreicht.

Zur Langfristigkeit der Konzepte muß man sagen, daß ja auch der militärischen Varianten der Konfliktlösungen alle bescheinigen, daß es nur ausgesprochen langfristig möglich ist, diesen Konflikt beizulegen.

Wie sollte eine pazifistische Politik gegenüber Bosnien konkret aussehen?

Einige Stichpunkte: kleinere oppositionelle und demokratische Strukturen müßten gefördert werden. Die Auseinandersetzung müßte von der Genfer Ebene auf die regionale Ebene verlegt werden. Letztlich ist es notwendig, die Flüchtlinge, die aus dem Gebiet kommen, nach Westeuropa einreisen zu lassen. Dann muß Druck auf Serbien und Kroatien ausgeübt werden.

Das klingt nicht danach, als könnten die Menschen in Bosnien auf schnelle Hilfe hoffen. Das ist ja das Argument für militärische Lösungen.

Das ist aber Unsinn, wenn die Militärs das so sagen. Diesen Eindruck erwecken sie gerne, aber wenn sie dann ihr Handwerk ausüben, müssen wir feststellen, daß sie uns vorher belogen haben. Siehe Irak- Krieg, siehe Somalia, siehe jeden anderen Kriegsschauplatz.

Es gibt kein gutes Militär?

Es gibt kein gutes Militär. Wenn man militärisch eingreift, wird es die Zivilbevölkerung in weit größerem Maße treffen als der Krieg dies ohnehin schon tut. Wenn man die Zivilbevölkerung retten will, muß man ihnen zur Zeit rettende Fluchtmöglichkeiten anbieten.

Beim Irak-Krieg waren in Deutschland hunderttausende von Menschen auf der Straße. Zum Thema Bosnien versammeln sich höchstens ein paar hundert. Warum hat die Friedensbewegung versagt?

Die Friedensbewegung hat nicht versagt, sie hat auf diesen Konflikt anders reagiert und das war schlau von ihr, denn man kann nicht auf jeden Konflikt gleich reagieren. Die Friedensbewegung hat inzwischen Millionen von Sach- und Hilfslieferungen in das ehemalige Jugoslawien geschickt, es gibt Leute, die dort Langzeitarbeit machen. Es gibt Leute, die immer wieder versuchen, zwischen Gruppen der kriegsführenden Parteien Kontakt herzustellen und hier macht die Friedensbewegung eine hervorragende Arbeit, die aber in den Medien so nicht wahrgenommen wird, weil man suggerieren will, es gebe nur eine militärische Lösung. Fragen: bpo