Zwei Gesetze zum neuen § 218

Neuregelung des Abtreibungsrechts bleibt umstritten  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Die Wege haben sich getrennt. Uta Würfel (FDP) und Inge Wettig-Danielmeier (SPD), die 1992 erfolgreich für den parteiübergreifenden Kompromiß zum Abtreibungsrecht gestritten haben, tauschten gestern nicht nur Artigkeiten aus. Die CDU habe sich im Gesetzentwurf der Koalition stärker durchgesetzt als die FDP, hielt Wettig-Danielmeier ihrer liberalen Kollegin vor. Die wiederum sieht „keinen weiteren Gesprächsbedarf“, wenn die SPD sich weiter weigere, „das Urteil umzusetzen“.

Es liegen also zwei Gesetzentwürfe vor, die den Karlsruher Richterspruch vom Mai 1993 in neues Recht fassen wollen. Die SPD-Fraktion hatte dem Text ihrer ExpertInnen bereits Dienstag abend grünes Licht gegeben. Der Entwurf der Koalitionsarbeitsgruppe hatte die schwerste Hürde noch zu nehmen, als Würfel ihn gestern der Presse vorstellte. Die Zustimmung der beiden Regierungsfraktionen, die erst am Abend tagten, stand noch aus. Reinhard Göhner, Irmgard Karwatzki (CDU) und Ursula Männle (CSU) haben sich während der Verhandlungen mit der FDP zwar regelmäßig bei ihren Fraktionsspitzen rückgekoppelt. Doch mit diesem Gesetz müßten die Unionsabgeordneten akzeptieren, was der Mehrheitsentwurf der Union 1992 gerade nicht zulassen wollte: eine Fristenregelung mit Beratungspflicht. Daß das nicht alle mittragen, ist ohnehin klar. Wieviele Unions-Abgeordnete ausscheren, entscheidet über das Schicksal des Entwurfs im Bundestag. Zudem muß das Gesetz die SPD-Mehrheit im Bundesrat passieren.

Trotzdem: alle Versuche, für das neue Abtreibungsrecht eine ähnliche parlamentarische Initiative zustande zu bringen wie seinerzeit für den Gruppenantrag, sind kläglich gescheitert. „Ich riskiere keine neue Klage“, formulierte Würfel gestern noch einmal ihre Maxime. Sie habe das Urteil „gelassen“ aufgenommen, weil es „eine liberale Handschrift“ trägt. Den Sozialdemokraten habe sie bereits im Oktober nachgewiesen, daß sie „weit unter dem Regelungsbedarf geblieben sind“. Die SPD nimmt hingegen für sich in Anspruch, „die beanstandeten Lücken“ mit ihrem Vorschlag adäquat zu schließen. Dabei bliebe der Kompromiß von 1992 „in seiner Grundsubstanz erhalten“. Wettig-Danielmeier: „Das entspricht dem Urteil.“

Wie wenig Raum die Richter für den Gesetzgeber gelassen haben, wird paradoxerweise gerade daran deutlich, wie gering die Unterschiede zwischen den beiden Entwürfen tatsächlich sind. Bei den neu zu formulierenden Beratungszielen hat Würfel erkennbar mehr als die SPD „draufgesattelt“. Doch festgeschrieben bleibt, daß sie „ergebnisoffen“, ohne Zwang und auf Wunsch anonym durchzuführen ist. Die von Karlsruhe verlangte Strafandrohung für das „Umfeld“ einer Schwangeren löst die SPD formal anders als der Koalitionsentwurf; sie ergänzt den bestehenden Nötigungsparagraphen. Doch der im Koalitionsentwurf vorgesehene neue Paragraph 218 setzt sehr hohe Hürden für eine Bestrafung von Angehörigen, sehr viel höhere, als die Union in ihren ersten Entwürfen vorgesehen hat. Bei der umstrittenen Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen differieren die angegebenen Einkommensgrenzen um wenige hundert Mark. Wer zahlt, ist strittig. Daß die Krankenkasse das Verfahren abwickelt, also keine Frau zum Sozialamt gehen muß, ist unstrittig.