Vom D-Netz umzingelt

■ Mobilfunktelefone können Hörgeräte und Herzschrittmacher beeinflussen

Plötzlich bleibt der Mercedes stehen. Motorschaden? Weit gefehlt: Die Motorelektronik fiel aus, weil der Besitzer mittels Mobiltelefon kommuniziert hatte. Doch nicht nur Autoelektronik - D-Netz-Telefone können auch medizinische Geräte beeinflussen. Und wenn auch ein Brummen in Hörgeräten gerade noch verkraftbar erscheint, der mögliche Stillstand eines Herzschrittmachers sollte die Telekom stark beunruhigen. Die aber nimmt die Gefährlichkeit ihrer Geräte in Kauf. „Man sollte eben nicht stundenlang mit dem Autotelefon telefonieren“, kommentiert die Mitarbeiterin eines Hamburger Telekom-Ladens. Anstatt ihre Produkte zu verbessern, rät die Telekom in solchen Fällen eher zum Verzicht.

Wilfried Rödiger, Kardiologe im Universitätskrankenhaus Eppen-dorf, sieht zwar keine so große Gefahr für die 300.000 TrägerInnen von Herzschrittmachern in der BRD: Ihm selbst seien keine Fälle bekannt, in denen es zu einer lebensgefährlichen Wechselwirkung zwischen Mobiltelefon und Herzschrittmacher gekommen sei. Allerdings müßten die rund 5000 PatientInnen in Hamburg, die einen „unipolaren“ Herzschrittmacher besäßen, beim Gebrauch von Autotelefonen mit Herzrhythmusstörungen rechnen, wenn ihr Herz empfindlich sei. Die neuen „bipolaren“ Herzschrittmacher seien jedoch „störfest“. Keine Sorge müsse man sich auch bei den tragbaren Haustelefonen machen.

Auch die Hersteller von Herzschrittmachern beteuern, das Gefährdungspotential von Mobilfunktelefonen auf Herzschrittmacher sei gering, aber „man kann nie nie sagen“, wie Holger Blaak, Productmanager der Hamburger Firma Biotronic, es formuliert. Zumindest hat nun das Schweizer Bundesamt für Gesundheitswesen geplant, die Telefone aus Krankenhäusern zu verbannen. Und das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz, das sich mit den Gesundheitsrisiken durch Mobilfunk auseinandersetzt, betont, es bestehe „bezüglich niederfrequenter Amplitudenmodulation Forschungsbedarf“. Das heißt: Noch ist die Wirkung der Mobiltelefone auf den menschlichen Körper nicht ausreichend geklärt.

Bei Gehörgeräten ist die Sachlage relativ klar. Mehrere Studien kamen zu dem Ergebnis, daß es durch Mobiltelefone zu erheblichen Störungen kommen kann. Deshalb, sagt Heinz Behrens vom Bund der Schwerhörigen, seien die Telefone des D-Netzes für BesitzerInnen von Hörgeräten nicht geeignet. Durch die Störung, ein „dumpfes Brummen“ (Behrens), würde die Sprache unverständlich, die Unterhaltung litte stark. Mit dieser Beeinträchtigung müßten alle diejenigen rechnen, die ein älteres, analoges Hörgerät besäßen und sich in einer Reichweite von fünf bis zehn Metern zu einem Mobiltelefon befänden.

Die Mobilfunktelefone des D-Netzes haben eine Trägerfrequenz von 890 bis 960 Megahertz und eine Modulation mit einer Pulsrate von 200 bis 300 Hertz. Diese gepulsten Frequenzen werden von alten Hörgeräten und alten Herzschrittmachern aufgefangen, weil ihre Metallteile wie Antennen funktionieren. Das Hörgerät unterscheidet dann nicht, ob diese Frequenz durch Sprache entstanden ist oder durch ein elektronisches Gerät und verstärkt sie.

Alte Herzschrittmacher reagieren auf Frequenzen unter 1000 Hertz mit der Umschaltung auf eine Störfunktion, die das Herz auch dann stimuliert, wenn es eigentlich noch alleine schlagen kann. Der doppelte, phasenverschobene elektrische Impuls kann zu Herzarhythmien führen. Das Störprogramm wird beendet, wenn die entsprechende Frequenz verschwunden ist. Erst bei Schwingungen unter acht Hertz wird es für Schrittmacher dramatisch. Denn dann kann das Gerät nicht mehr unterscheiden, ob der Impuls vom Herzen selbst kam oder von außen. Infolgedessen stimuliert es nicht, obwohl das Herz vielleicht gerade nicht schlägt: Das führt zum Herzstillstand.

Das Problem von Impulsen, die auf elektronische Geräte wirken, ist nicht ganz neu. So ist seit längerem bekannt, daß man in unmittelbarer Nähe von Fernseh-Sendern mit einem Küchenherd Radio hören kann. Wem das nicht gefällt, der muß umziehen. Doch was sollen diejenigen Hör- und Herzgeschädigten machen, die von fünf Millionen Mobiltelefonen (Schätzung des Bundesamtes für Strahlenschutz) umzingelt sind?

Annette Bolz