Undergroundvideos contra MTV

■ Das Kino 46 zeigt „Rock'n Role Playing“ aus den Staaten

Bei Musikvideos gibt es eine feste Regel, die in den PR-Abteilungen der Plattenfirmen allen Videomachern und Musikern eingebleut wird wie das Amen in der Kirche: Der Clip muß MTV–tauglich sein. Also nicht zu gewagt, avantgardistisch oder schräg und immer schön politisch korrekt. „It's MTV or die!“ Aber in den USA gibt es inzwischen auch bei den Videoclips eine „alternative Szene“, die ihre Bänder im „mail order“-Vertrieb unter die Fans bringt und gerade das zeigt, was normale Videokonsumenten entsetzt nach der Fernbedienung greifen lassen würde.

Das Programm „Rock'n Role Playing“ ist eine Auswahl von 30 Underground-Videos, und es umfaßt eine erstaunlich breite Palette, die von billigst zusammengeschusterten Homevideos bis zu brilliant visualisierten Perversionen reicht. Es gibt Pornographie in „Bill & Ted's homosexual Adventure“, neben einer scharfen Polemik gegen die US-Regierung, die mit Ausschnitten aus TV-News, Spielfilmen und Commercials gesampelt wurde. Eine nackte, weibliche Jesusfigur singt mit Jim Morrisons Stimme, und in einer raffinierten filmessayistischen Collage werden Texte von Jane Bowles mit der Musik von Brian Eno verbunden.

Auf ganz unterschiedlichen Ebenen sind alle Videos „over the top“, und weil das Programm so extrem und weitgefächert ist, wird jeder Zuschauer auf Clips stoßen, die seine persönlichen Ekel- und Geschmacksgrenzen überschreiten. Aber auch wenn man nach dem Programm einige Beiträge lieber ganz schnell wieder vergessen würde – langweilen wird sich in diesen zwei Stunden kaum einer, und auch das ist bei MTV ganz anders.

Wilfried Hippen

Heute und morgen, 22.30 Uhr