Haare - und Hosen mit Schlag

■ Neu im Kino: Die siebziger Jahre mit “Sommer der Liebe“

Bravo–Starschnitt, Schlaghosen, Flokati und „Trimm–Dich“: waren die frühen 70er nicht rührend lächerliche Zeiten? Da hat man heute gut lachen, und ein gewiefter Filmemacher braucht nur zur rechten Zeit ein schreiendes Tapetenmuster ins rechte Licht rücken oder „ein Bett im Kornfeld“ ertönen zu lassen, und schon ist's witzig. Mit der hohen Kunst der Komik hat das allerdings noch garnichts zu tun, und um wirklich begnadet die Flower–Power-Zeit durch den Kakao ziehen zu können, muß man wohl zum Teil immer noch in ihr leben. Für den Filmemacher Wenzel Storch gab es „damals viele Sachen, die heute noch gut sind. Die Klamotten sahen einfach besser aus, und die Schlager waren noch richtig gut.“ Und so taucht Wenzel scheinbar ganz naiv in die Stimmung und Ästhetik dieser Zeit ab, und schert sich einen Dreck um die normalen Konventionen des Erzählkinos wie Plot, Logik, Kontinuität oder Naturgesetze. „Eine Überlegung steckt nicht dahinter“, sagt Wenzel selber, die würde im „Sommer der Liebe“ auch nur unangenehm auffallen. Stattdessen stolpert ein 57jähriger Freak, der sich am Ende des Films als der wahre Conny Cramer entpuppt, durch eine hanebüchene Reihe von psychedelischen Kostümen, Begebenheiten, Trickfilmen und Bewußtseinsdimensionen. Gras, Haare, Gitarrensoli und „toffe Muster“ sind die Fundamente dieser Welt, und es stimmt jedes noch so bizarre Detail, auch wenn Storch den Film mit extrem wenig Geld produzierte: mit drei wackligen Super–8- Kameras, Requisiten, die er sich auf dem Sperrmüll und Flohmärkten zusammensuchte und Laiendarstellern, von denen die meisten in Discos aufgrund der Länge ihrer Haare ausgesucht wurden. Ganz ähnlich wie bei Helge Schneider (dessen „Texas“ im Vergleich zu diesem Film enttäuschend konventionell ist) weiß man bei Storch oft nicht, worüber man gerade lacht. Es gibt keine Pointen im herkömmlichen Sinne, die Schauspieler versuchen auch nicht komisch zu wirken und Wenzel fällt nicht einmal aus der Rolle, in dem er etwa mit einer Einstellung oder einem Zitat dem Zuschauer zuzwinkert. Georg Seeßlen hat in seiner Kritik ganz richtig von poetischer Komik gesprochen und Storch mit Karl Valentin verglichen: auf beide paßt das Zitat „Er macht keine Witze, sondern er ist ein Witz“. So wundert es kaum, wenn für die Humorkritiker der Titanic Wenzel Storch glatt Deutschlands bester Regisseur sein soll.Wilfried Hippen

Cinema, tägl .23 Uhr