Linie 1 weiter auf Abwegen

■ U 1 kann bis zum S-Bahnhof Warschauer Straße verlängert werden / Keiner hat mehr Vorbehalte gegen die "große Lösung"

Für die Verlängerung einer der wichtigsten U-Bahn-Linien scheinen die letzten Hürden aus dem Weg geräumt zu sein: Die U 1 könnte von der heutigen Endstation Schlesisches Tor in Kreuzberg bis zum S-Bahnhof Warschauer Straße in Friedrichshain fahren. Die geplante Neubaustrecke, durch die die U 1 mit sechs S- Bahn-Linien verbunden wäre und auf der täglich über 100.000 Fahrgäste erwartet werden, hat die Verkehrsverwaltung entsprechend vereinfacht. Jetzt sollen sich der U- und der S-Bahnhof nicht mehr überschneiden.

Doch bislang verstauben die Unterlagen auf Behördenschreibtischen: Einen Termin für die Inbetriebnahme will der Senat nicht festlegen. Die U-Bahn soll wie berichtet ab Mitte 1995 über die Oberbaumbrücke nur bis zum ehemaligen U-Bahnhof Warschauer Brücke fahren. Fahrgäste müssen beim Umsteigen auf die S-Bahn Warschauer Straße mehrere hundert Meter Fußweg zurücklegen.

Warum das notwendige Planfeststellungsverfahren für die Verlängerung bis zum S-Bahnhof nicht eröffnet wird, ist dabei völlig unklar. Abteilungsleiter Ural Kalender sagte gegenüber der taz, daß die Deutsche Bahn AG (DB) den maroden S-Bahnhof sanieren müsse. Dadurch komme es zu wesentlichen Umbauten. Die Bahn behauptet aber, daß sie keine wesentlichen Änderungen vorhabe und der Verlängerung der U 1 ihrerseits nichts mehr im Weg stehe.

Aufgrund der Bedeutung des Projekts hatte das Abgeordnetenhaus den Senat bereits vor fünfzehn Monaten aufgefordert, mit dem Planfeststellungsverfahren für die „große Lösung“ Warschauer Straße bis Ende 1992 zu beginnen. Doch die Forderung der Politiker wurde bis heute nicht erfüllt – angeblich weil die „große Lösung“ vor 1997 nicht realisierbar sei, wie Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) noch kürzlich in einem Schreiben an das Abgeordnetenhaus berichtete.

Dabei versteht die Bahn die Vorbehalte aus der Verkehrsverwaltung nicht. Die Lage der Bahnsteige der S-Bahn Warschauer Straße „ändert sich nicht“, sagte Dieter Funk von der DB-Direktion Berlin auf Anfrage. Auch die Ferngleise würden nicht verschoben. Die Bahn-AG besteht offenbar nicht einmal darauf, daß das Land Berlin – wie von der Verkehrsverwaltung befürchtet – die Kosten für den Umsteigebereich zur S-Bahn alleine trägt. Über die Verteilung des Geldes zwischen Land und DB „kann man reden“, meinte Funk. Die vereinfachte Variante zur U-1-Verlängerung sei ihm allerdings nicht bekannt.

Auch die Bauverwaltung kenne die neue Variante nicht, sagte Nicolas Kapp. Dem widerspricht der Referatsleiter für die Bahnplanung in der Verkehrsverwaltung, Rüdiger Lemnitz: Die Bauverwaltung arbeite „nicht mit Volldampf“. Lemnitz geht bei der U 1 von einer üblichen Dauer für Verfahren und Bauzeit von vier bis fünf Jahre aus. Mit dem Planfeststellungsverfahren müsse „bald begonnen werden“ – wenn die U 1 noch in diesem Jahrzehnt bis zur Warschauer Straße fahren soll. Dirk Wildt