Sicherheitsbehörden im Beißkrampf

Eklat zwischen Bundesanwalt und Bundeskriminalamt im Prozeß zum Anschlag gegen US-Air-base gegen Eva Haule in Frankfurt / BKA bezweifelt Stichhaltigkeit der Beweise  ■ Aus Frankfurt/M. Heide Platen

Daß der Tiefschlag gegen die Judikative aus den Reihen der bundeskriminalamtlichen Exutive gekommen war, das machte Bundesanwalt Klaus Pflieger gestern vormittag offensichtlich schwer zu schaffen.

Der Ankläger gegen die 39jährige Eva Haule holte vor dem Frankfurter Oberlandesgericht weit aus, um sich zu revanchieren. Das Kritteln an seinem Hauptbelastungsmaterial gegen Haule, zwei Kassibern, die 1990 in der Zelle der in gleicher Sache angeklagten Manuela Happe beschlagnahmt worden waren, nahm er mehr als übel.

Sollen doch die Schriftstücke beweisen, daß Eva Haule, die unbestritten die Verfasserin ist, am Sprengstoffanschlag auf die US- Air-base in Frankfurt am 8. August 1985 und dem Mord an dem GI Edward Pimental in der Nacht zuvor direkt beteiligt war. Ein BKA- Beamter hatte seine Bedenken an der Haltbarkeit des papiernen Fundamentes der Anklage angemeldet (taz von gestern). Er wertete die Diktion als nicht beweiskräftig und kam zu dem Schluß, daß Haule die Tat nicht etwa zugegeben, sondern sie lediglich schriftlich als Manöver-Kritik auch der internen RAF-Diskussion erörtert habe.

Pflieger machte seiner Empörung darüber, „daß ein Sachbearbeiter des BKA sich anmaßt, das Gericht zu belehren“ unmißverständlich Luft. Dabei ließ er auch den Feinwaschgang der Schmutzwäsche zwischen BKA und Bundesanwaltschaft nicht aus. Das ungebetene Gutachten habe bei ihm, sagte er mit in traurige Falten gelegter Stirn, „den Finger in eine Wunde gelegt, die bei mir noch nicht vernarbt ist“.

Pflieger spielte damit auf die häuserübergeifenden Verletzungen zwischen Karlsruhe und Wiesbaden an. Die hatten nach dem Polizeieinsatz von Bad Kleinen gegen die RAF, der im Sommer 1993 mit dem Tod von Wolfgang Grams endete, einen informationsdefizitären Höhepunkt. Das in eigener Sache ermittelnde BKA, so Pflieger, habe „der Bundesanwaltschaft bewußt Informationen vorenthalten“. Auch bei den Ermittlungen zum Brandanschlag von Solingen, bei dem fünf Türkinnen umkamen, hatte es kräftige Kontroversen gegeben. Das „der Direktor vor laufender Kamera“ die verfrühte Veröffentlichung von Phantombildern durch die BAW kritisiert hatte, addierte Pflieger zu „den Merkwürdigkeiten des BKA“, dessen „Koordinatensystem sich momentan verschoben hat“.

Die Polizei, schurigelte er in Richtung Wiesbaden, habe die Staatsanwaltschaft und das Gericht nicht zu bevormunden, sondern sei „Gehilfe“ und habe als solcher „den Herren des Verfahrens zu dienen“.

Dem Ersteller des Gutachtens, dem BKA-Staatsdiener Brisach, der angeblich im Februar versetzt werden soll, widmete sich Pflieger im besonderen: „Dieser Mann hatte keinen Auftrag, er hat sich selbst beauftragt.“ Brisach habe seine „Bedenken erst nach fast zwei Jahren angemeldet, ohne vorher einen Ton zu sagen“. Er selber sei ja durchaus „auch für abweichende Meinungen offen“, aber hier sei „eine Behörde der anderen in den Rücken gefallen“.

„Schweinesystem!“ sagte er nicht. Das kam leise aus dem Zuschauerraum. Sondern nur: „Ich kann meine Verärgerung über dieses Werk nicht verheimlichen.“ Inhaltlich bestand Pflieger darauf, daß die in den Kassibern benutzte „Wir-Form“ beweise, daß Haule an dem Anschlag selbst beteiligt gewesen sei. Happe und Haule hätten sie sonst „von Mitglied zu Mitglied“ nicht nötig gehabt.

Im Zeugenstand sagte gestern auch Manuela Happe aus, bei der die Kassiber, „diese Zettel“, gefunden worden waren. Sie erklärte, sie hätte sie „nie aufheben sollen“, da sie hätte wissen müssen, „daß jedes Wort gegen uns verwandt“ wird. Es sei ihr damals schlecht gegangen und sie habe das Gefühl gehabt, „jeden Gedanken festhalten“ zu müssen. Es habe sich lediglich um den Austausch über das Attentat und die kontroverse Kritik daran gehandelt, die sowohl RAF- intern als auch öffentlich gewesen sei: „Das konnte jeder wissen.“ Direkte Fragen dazu, ob ihr Tatbeteiligte bekannt seien, beantwortete sie nicht.

Vorher war es im Saal zu einer Rangelei zwischen der Zeugin Birgit Hogefeld, Eva Haule und Vollzugsbeamten gekommen. Hogefeld hatte versucht, ihre Aussage im Zeugenstand mit einer Solidaritätserklärung für den in Frankreich inhaftierten George Cipriani zu beginnen. Schon nach den ersten Worten unterbrach Richter Schieferstein und verwies sie des Saales.

Die Verteidigung von Eva Haule erklärte gestern, sie erwäge, den BKA-Beamten Brisach noch einmal in den Zeugenstand laden zu lassen. Außerdem dürfe behördeninterner Streit nicht zu Lasten ihrer Mandantin ausgetragen werden.