Strahlemanns Geschäfte

■ Von der unerhörten Anziehungskraft der Magnetfeldtherapie und ihrer Vertreter auf Erden/ Ein weiterer taz-Selbstversuch

Mit Speck fängt man die Mäuse. Alle paar Wochen verteilen kleine Jungen Handzettel in der Nachbarschaft, auf denen mit den schönsten Geschenkversprechungen zu einer sogenannten „Verkaufsveranstaltung“ eingeladen wird. Für lächerliche drei Mark Eintritt bekommt man nicht nur Kaffee und Kuchen und „einige schöne Stunden, die sie nicht vergessen werden“, sondern auch: 1 wunderschönen Kerzenleuchter, 1 Hausmacherwurstpaket, 1 Päckchen feinsten Kaffee, 1/2 Dutzend frische Landeier, 400g Kaffeegebäck, 100g feinste Schokolade und eine praktische Einkaufstasche. Und obwohl ich kein Ehepaar bin, das die doppelte Menge erhalten würde, möchte ich an diesem Segen teilhaben, zumal ich ja nicht kaufen muß, was immer da verkauft werden soll. 15 Uhr, Treffpunkt in den „Ernst-Waldau-Stuben“.

Ein überaus schnieke gekleideter Jüngling, der später Assistentenhilfe leisten wird, führt mich in die Gaststube, wo schon 15 überwiegend alte Herrschaften schweigentdauf Ralf warten, den Verkaufsleiter in weißem Oberhemd und blondem Schnauzbart. Zehn Minuten später begrüßt uns Ralf lebhaft und erwähnt mehrmals daß er eigentlich einen ordentlichen Beruf gelernt habe, ganz und gar unseres Vertrauen würdig sei. Dann rückt er endlich mit dem heutigen Verkaufsschlager heraus. Es handelt sich um eine dünne Stoffdecke mit eingenähten Metallstreifen, die, ins Bett gelegt, für alle nur vorstellbaren Zivilisationskrankheiten Heilung verspricht. „Ach so“, hört man unter den erfahrenen Gästen, „Magnetfeldtherapie“. „Ja, das heißt nein“, sagt Ralf, „es geht um die neue Magnetfeldtherapie, ich sag das mal so.“

Und dann beginnt ein rasend schneller Vortrag über die Vorzüge dieser Decke, über deren Preis er zunächst nur soviel verrät, als daß die alte Decke mit nur halber Strahlungsleistung um die tausend Mark gekostet habe... Was er nicht sagt ist, daß es sich im Prinzip um dieselbe Decke handelt, die die gerne gegen Erdstrahlung und Elektro-smog in Schlafzimmern verkauft wird und vor deren Wirkungslosigkeit die Bundeszentrale für Gesundheit schon gewarnt hat.

Dafür bescheinigt Ralf ausnahmslos allen Anwesenden, daß sie mehr oder minder schweren Durchblutungsstörung leiden, indem er zwischen den mit leichtem Herzklopfen Wartenden herumgeht und mit wissenden Griff ihre Fingerspitzen drückt und begutachtet. „Sie waren in den letzten drei Jahren einmal im Krankenhaus, nicht wahr?“, sagt er einem alten Mann, der verblüfft nickt. „Und Sie nehmen mindestens zwei Tabletten pro Tag!“ einer Frau, die das nur bestätigen kann.

Nur ein kräftiger Alter protestiert empört: „Ich bin kerngesund, mit 78 Jahren. Fragen sie meinen Arzt!“ –“Und ich sage“, kontert Ralf, „Sie sind es nicht.“ Basta. Der Beweis wird geführt. Auf einer schwarzen, „wissenschaftlich gepüften“ Platte müßen zwei Gäste ihren Händeabdruck abgeben und siehe da: die Abdrücke sind gelb und grün, mit lauter schwarzen Löchern und keineswegs blau und vollständig, wie bei Ralf selbst, der natürlich so eine Magnetfelddecke im heimischen Bett liegen hat.

Die beiden mit der bedenklichen Durchblutungsstörung werden auf einen Tisch nit der ausgebreiteten Decke gesetzt, und dort müssen sie die nächste Viertelstunde bleiben, um das Magnetfeld auf ihren kränklichen Körper wirken zulassen. Ralf zeigt derweil von weitem das Echtheitszertifikat und die Qualitätsurkunde, zitiert einen berühmten Professor und sagt immer wieder, daß wir zwar nicht kaufen müßten, daß es aber immerhin unsere Gesundheit sei.

Einige der alten Leute nicken nachdenklich mit dem Kopf, andere sind noch ein bißchen beleidigt , weil sie sich gar nicht so krank gefühlt hatten,. Aber als dann tatsächlich die neuen Händeabdrücke der beiden Versuchskaninchen in schönem blau aufstrahlen, erhebt sich ein Mann entrüstet und schimpft über die Gesundheitspolitik, die nicht gestattet, daß diese Wunderdecken von Krankenkassen bezahlt werden. „Nicht wahr“,sagt Ralf, „das sag ich ja auch immer so. Aber dann würden die Apotheken ja nichts mehr verdienen.“ Das leuchtet ein, und während ich, nach immerhin anderthalb Stunden, schiele, wo sich denn der wunderschöne Kerzenständer, der feinste Kaffee und die Landeier befinden könnten, kommt Ralf mit der größten Überraschung.

Unter einem lila Tuch versteckt haben die ganze Zeit eine goldglänzende Kochtopfsammlung und ein hundertteiliges Eßbesteck gewartet, „Wert mindertens fünfhundert Mark, sag ich mal so“. Und wir sollen jetzt raten, was wohl die Magnetdecke kostet, wenn wir eins dieser Teile bei Kauf dazukämen. „Nicht 2500 Mark, wie es rechtens wäre. Nicht 2000 Mark, und das wäre noch günstig. Nein, nur 998 Mark! Und nehmen Sie zwei, dann alles zusammen nur knappe anderthalbtausend.“

Fünf Gäste lassen sich einen roten Plastikgutschein geben, mit dem sie ein Kaufrecht auf die Decke schon jetzt vorsorglich erwerben, denn das Angebot ist so günstig, daß die Firma Planeta nun wirklich nicht jedem eine zukommen lassen kann.

Über zwei Stunden sind vergangen. Ralf kündigt eine Pause mit Beratungsgesprächen für die Kaufwilligen an. Ich bitte mit Hinweis auf mein wartendes Baby um Dispens und um die versprochene Geschenke. Nichts da, wer nicht bis zum bitteren Ende durchhält, geht leer aus, und wer nichts kauft, bekommt auch nicht die Informationsbroschüre.

Eine nette Frau tröstet mich, als ich meine Sachen zusammensuche: „Wo Sie doch so lange mitgemacht haben...!“ Auch sie wird die Decke nicht kaufen, weil sie einen Herzschrittmacher hat, der durch das Magnetfeld aus dem Takt kommen könnte, die einzige Nebenwirkung der Wunderdecke übrigens.

Noch höre ich, wie ein Ehepaar berät, ob sie sich wirklich zwei Decken leisten können, dann gehe ich, um eine Illusion ärmer, aber mit dem Wissen, daß meine Durchblutung nicht die beste ist. Die Verbraucherzentrale, um einen Ratschlag gefragt, rät entschieden ab. „Werbung mit der Angst“, nennen sie solche Veranstaltungen mit Produkten, deren medizinische Wirkung durch keinerlei offizielle Stelle geprüft sind. Selbst bei Barzahlung aber gibt es ein Widerspruchsrecht, so daß man die „schönen Stunden“, die man nicht vergessen wird, für den Fall des Falles schließlich doch vergessen kann. Cornelia Kurth