Auf dem Weg nach unten

■ ALZ: Real bis zu acht Prozent weniger Arbeitslosengeld und –hilfe

Seit dem ersten Januar sind aus den Groschen für Arbeitslose Pfennige geworden: Die wöchentlichen Zahlungen des Arbeitsamtes werden offiziell um maximal drei Prozent gekürzt – die Wirklichkeit jedoch sieht anders aus. Das Arbeitslosenzentrum Hannover (ALZ) stellte auf einer Pressekonferenz die aktuellen Zahlen vor. Nicht drei, sondern bis zu acht Prozent betragen die Kürzungen bei Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld.

Besonders hart betroffen sind gerade jene Menschen, die am Rande des Existenzminimums leben. „Die Sozialpolitik der Regierung grenzt an Vertreibungspolitik“, heißt es in dem am Donnerstag vorgelegten Papier zur finanziellen Lage der Erwerbslosen in Hannover.

„Untere Einkommensgruppen, Familien mit Kindern und sogar mittlere Einkommensgruppen müssen jetzt zum Sozialamt, weil das Geld einfach nicht reicht“, erklärt Tilmann Lucius, Berater beim Arbeitslosenzentrum der Stadt. „Wer bisher 647 Mark im Monat Arbeitslosengeld bekam, erhält jetzt nur noch 608 Mark. Das sind effektiv 6,1 Prozent weniger – statt der angekündigten drei Prozent“, so der Berater.

Zwar seien die Leistungen des Arbeitsamtes tatsächlich nur um bis zu drei Prozent gekürzt worden, aber: „Weil die Beiträge für die Sozialversicherungen gestiegen sind, sinken die realen Einkünfte, auf deren Grundlage das Arbeitslosengeld berechnet wird. So richtig kann niemand nachvollziehen, was da passiert.“

Tilman Lucius ist nicht der einzige, der mit Unverständnis und Kopfschütteln reagiert. Auch die Mitarbeiter des Arbeitsamtes Hannover kennen das Problem. „Wir bekommen die Daten von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Leider können wir hier nicht individuell auf die AntragstellerInnen eingehen“, erklärt Rudolf Hartmann, Abteilungsleiter im Arbeitsamt.

Was das Arbeitsamt machen kann, ist vom Bund festgelegt: Die Daten der Arbeitslosen landen im Computer, „aber der berechnet alles in Nürnberg.“ Die Landeshauptstadt Hannover ist für den Bund scheinbar wenig interessant. Weder gibt es verläßliche Arbeitslosenstatistiken, noch ist die genaue Zahl der arbeitslosen Frauen und Männer bekannt.

„Im Juni 1993 hatten wir 28.581 gemeldete Arbeitslose. Seitdem liegt nichts Neues vor, aber die Zahl ist gerade in Hannover deutlich gestiegen“, so Hartmann. Etwa 1.200 kommen jede Woche neu dazu. Ob das Heer der Arbeitslosen in der Landeshauptstadt über die Kürzungen verunsichert oder überhaupt informiert ist, kann der Beamte nicht sagen. Klar ist nur, daß einige – die BezieherInnen von Arbeitslosenhilfe – zum Sozialamt müssen, weil das Geld nicht mehr reicht.

„Die Tendenz ist steigend“, sagt Wolfgang Beil vom Sozialamt der Stadt. Fast 28.000 Menschen in Hannover bekommen „Hilfe zum Lebensunterhalt“. Wieviele wegen den niedrigeren Leistungen des Arbeitsamtes beim Sozialamt landen, bleibt im Dunkeln. „Auch wir verfügen über keine genauen regionalen Daten. Das ist für uns ein echtes Problem“, sagt Sozialamtsmitarbeiter Beil.

Hans-Günter Hübscher, arbeitsloser 29jähriger und seit Juli ohne Stelle, lacht bitter: „Es geht mir doch gut! Erst Job, dann Arbeitslosengeld. Dann die Hilfe. Ich kann ja froh sein – schließich geht es ja noch weiter nach unten: bis in die Gosse“. Vlad Georgescu