„Sophie stand im Mittelpunkt“

■ Berlins einzige Väterberatungsstelle vermeldet einen neuen Trend: Immer mehr Väter wollen – nach der Trennung oder der Scheidung – kein Phantombild bleiben für ihre Kinder

Hartmut Richter konnte seine Tochter Sophie sehen, wann immer er wollte. Obwohl sich die unverheirateten Eltern schon vor der Geburt ihres Kindes getrennt hatten, durfte der gelernte Kellner die Wochenenden mit seiner Tochter verbringen. „Wir sind zusammen baden und spazierengegangen. Sophie stand im Mittelpunkt“, erzählt Richter.

Anderthalb Jahre später wollte die Mutter plötzlich nicht mehr, daß Vater und Tochter sich sehen. „Wahrscheinlich, weil sie eine neue Beziehung eingegangen ist“, vermutet der 45jährige, der jetzt einen Party-Service betreibt. Vom Jugendamt bekam er die Adresse der „Väter-K.I.B.“, einer Beratungsstelle für Väter.

Wie Hartmut Richter wenden sich Männer an die Väter-K.I.B. (Kontakt, Information, Begegnung), „die Fragen und Probleme haben“. Denn mit der Angst, nach der Trennung oder der Scheidung nur noch als zahlende Väter zu fungieren, stehen sie oft alleine da. „Die Jugendämter sind personell überfordert. Viele Männer beklagen sich, einfach weggeschickt zu werden“, erläutert die 42jährige Ursula Hempel, Leiterin der Väter-K.I.B.

Die Initiative ist die einzige in Berlin, die sich speziell an Väter richtet. Anfang Februar 1993 wurde sie ins Leben gerufen. Seitdem haben ihre drei Mitarbeiter knapp 300 Informationsgespräche geführt. „Viele brauchen oft nur jemanden, der ihnen zuhört“, sagt der Sozialtherapeut Dieter Voigt.

Die Beratungen sollen der Orientierung dienen. In meistens einmaligen Gesprächen werden rechtliche Informationen gegeben und über andere, weiterhelfende, Organisationen informiert. Ziel der Gespräche ist es, von ihrer Familie getrennt lebenden Vätern zu helfen, die Beziehung zu ihren Kindern neu zu organisieren. „Die Beteiligten müssen lernen, die Paarbeziehung von der Elternbeziehung zu trennen. Denn die Kinder sollen nicht die Probleme der Eltern ausbaden“, sagt Hempel. Die Familiensoziologin ist selbst geschieden und lebte jahrelang mit ihren beiden Kindern allein. „Ich fand es aber immer wichtig, daß meine Kinder ihren Vater regelmäßig sehen.“

Die K.I.B.-Leute haben einen neuen Trend ausgemacht: Immer mehr Männer wollen sich nach Trennung oder Scheidung um ihre Kinder kümmern.

Ein- bis zweimal monatlich treffen sich Selbsthilfegruppen in der Väter-K.I.B. Durch den Erfahrungsaustausch soll der psychische Druck der sich oft hilflos fühlenden Väter abgebaut und Betroffenheit aufgefangen werden.

Schließlich betreibt das Projekt auch Öffentlichkeitsarbeit, um für die Väter-Problematik zu sensibilisieren. „Die meisten begrüßen es, daß wir uns für Väter einsetzen. Kritisiert werden wir nur von einzelnen West-Feministinnen, die glauben, daß für Männer schon genug getan wird“, sagt Hempel. Ost- Feministinnen dagegen seien nicht so rigoros gegen Männer, da „zu DDR-Zeiten beide Geschlechter unterdrückt waren. Außerdem sind bei uns Männer viel engagierter im Familienleben, so daß eine radikal feministische Ideologie gar nicht Fuß gefaßt hat“, erklärt Hempel.

Ost- und Westmänner kommen in die Beratungsstelle nach Berlin- Mitte. Die Zahl der Ost-Väter überwiegt jedoch, da sie sich mit den neuen Gesetzesregelungen noch nicht auskennen. Keiner habe sich bis jetzt geweigert, mit Hempel über seine Probleme zu sprechen. Oft bekomme sie sogar positive Rückmeldungen nach dem Motto: „Es ist gut, daß es auch noch andere Frauen gibt als die, die ich gehabt habe.“

Sie selbst stellt ihre Arbeit als Väter-Seelsorgerin nicht in Frage. „Warum sollte ich mich a priori mit den Müttern identifizieren?“ Ein Umdenken sei dringend notwendig. „Kinder haben ein Recht auf beide Eltern. Auch nach einer Trennung sollen Väter keine Phantombilder für sie sein.“ Juliane Echternkamp, ledig