Village Voice
: Stahlblaue Katerstimmung

■ „Tek“ von Syksy und „Crayon“ von 18th Dye

Knappe zwei Jahre gibt es das Ostberliner Label „Le Coq Records“ nun und auf die sage und schreibe vierte Veröffentlichung hat man es jetzt gebracht. Man sieht also schon, Le Coq ist kein Label, für das die Bezeichnung Plattenfirma treffend wäre. Aber wohl kein anderer Schallplattenverlag dürfte mit so wenigen Produkten einen derart weiten Stilradius aufzuweisen haben. Nach zwei ersten Veröffentlichungen von De Feixen und Pizza Brain, beides Projekte des Label-Chefs Quittkat, mit fröhlichem Spinnerpop, der sich am Kunstanspruch versuchte, ohne Eingängigkeit vermissen zu lassen, folgten die Westberliner Space Hobos, deren 50er- und 60er-Jahre- Instrumentals ebenso faltenfrei und stilsicher rückwärtsgewandt daherkommen wie ihre Anzüge.

Und jetzt Syksy. Und wieder völlig neue Optionen – sowohl musikalisch als auch regional. Ursprünglich in Frankfurt an der Oder gegründet, siedeln Syksy erst seit neuestem in Berlin. Und spielen einen Metal, oder auch Hardcore, vielleicht auch Industrial, als hätten sie ihn ganz allein erfunden. Die Mutter des Bassisten kommt aus dem Finnischen und hat von dort den Bandnamen mitgebracht. Syksy heißt „Herbst“. Syksy heißen so, wie sie heißen, weil diese Jahreszeit einmal mit einer Hoffnung belegt war. Jedenfalls im Jahre 1990, als sich das Quartett im östlichsten Brandenburg zusammentat. Doch ihre Debüt-CD nach zwei Kassettenproduktionen heißt „Tek“. Neben dem Titel legt auch die stahlblaue Reduziertheit des Covers nahe, daß dies in Musik überführte Katerstimmung ist.

So dröhnen Syksy wie ein Symptom: dunkel, schwer und unheilverkündend. Wie ein Versprechen, daß es hinter der Musik sogar noch mehr zu verbergen gilt. Dazu benutzen sie vor allem die Gitarre von André Markert, die gelernt hat zum einen von den oftmals zu selbstgefälligen Kunstgriffen des Metallschaffens, zum anderen vom stakkatisch rhythmusbetonten Hardcore. Die besondere Qualität von Syksy ist nicht die Tatsache, die beiden Stile zusammenzufügen und diesem allgegenwärtigen Crossover nur noch eine Kapelle hinzuzufügen. Markerts Klang zeichnet sich durch eine Kälte aus, die man sonst eigentlich nur vom klassischen Industrial mit seinem Sequenzer- Puls kennt. Jeder bisherige Dark-Rock-Versuch ist warmherzig dagegen, und Doom-Metal-Bands fast niedlich.

Und Syksy haben zudem erkannt, daß die deutsche Sprache so exakt und logisch zu solch einer Musik paßt, daß man sich nur wundern kann, daß bisher noch niemand auf die Idee gekommen ist. Gerold Bublak singt nicht, aber er kreischt auch nicht oder falsettiert gar im Kastratenstil des Metal-Mainstream. Es ist vielmehr ein konzentriertes Deklamieren, fast ein Rezitativ auf Punkniveau. Seine Worte sind mehr Rhythmus als Melodie und trotzdem weit entfernt vom Rap, auch wenn der modischerweise im Moment so oft und gerne im Hardcore eingebaut wird. Die Worte, die er schreibt, würden sich dafür auch kaum eignen. Zu deutsch, zu hart reiben sich die Sätze und bleiben dabei oft nur kryptisch: „Die Waffe meines Feindes ist nicht die meine/ Meine Liebe zu Dir ist nicht die Deine“, beginnt der Titelsong. Das klingt zwar gereimt wie aus der Schlagerparade, aber ist doch viel sperriger und verspricht mehr als gefühlsduselige Nabelschau. Und so ist nicht nur dieser Song ein hart schmerzender Abschied vom Sentiment.

Und wenn der Ausgangspunkt des Textes noch so persönlich ist, immer geht Bublak, wenn schon nicht mit den Worten selbst, so doch zumindest mit seiner Vortragsweise ins Allgemeine. Einfach der Klang der Stimme, der kalt schneidende Sound der Band ist ein Kommentar zur Lage. Allerdings keiner, der irgendwem weiterhilft. Aber immerhin einer, der die seelenlose, resignierte Wut auf den Punkt bringt. Ein Symptom eben. 18th Dye dagegen haben sich noch einen Rest Romantik bewahrt, auch wenn ihre Mittel gar nicht großartig andere sind. Vielleicht weil ihnen Frankfurt/ Oder erspart geblieben ist und sie statt dessen schon immer in Berlin lebten. Vor allem aber deshalb, weil Gitarrist Sebastian Büttrich die Knöpfe an seinem Verstärker ein wenig anders eingestellt hat als Markert. Und wenn die Töne verschmieren, nennt man das dann Gefühl. So einfach ist das manchmal.

Doch das eigentliche Kunststück, das das Trio auch auf ihrer neuen Mini-LP „Crayon“ wieder vollbringt, liegt darin, zwischen all diesen zerfasernden Gitarren, zwischen den dick aufgetragenen Verzerrungen den roten Faden zu finden. Den nennt man dann Song, und den können die Ostberliner schreiben. Der faßt zusammen, was auseinanderzulaufen droht wie gammelige Gelatine.

Das erste Gummibärchen auf „Crayon“ namens „Aug.“ ist allerdings bei weitem bissiger als alles, was man zuvor von 18th Dye konserviert hören konnte. Auf der nach allen Seiten offenen Gitarrendröhn-Skala zwischen – sagen wir mal – Sonic Youth und Galaxie 500 liegt „Aug.“ sehr viel näher bei den New Yorker Noise-Päpsten, und 18th Dye lassen zum ersten Mal auf Platte eine Ahnung ihrer Live-Präsenz spüren. Die restlichen fünf Stücke ähneln in vielem dem Vorläufer, der Debüt-LP „Done“. Vor allem die von Galaxie 500 geliehene, leidenschaftslos akzeptierte Verzweiflung haben 18th Dye noch immer nicht aufgegeben. Und sie steht ihnen immer besser. Momentan die coolste Rockband der Stadt. Thomas Winkler

Syksy: „Tek“, Le Coq Records, C 004, Heiligenstadter Str. 2, 13055 Berlin

18th Dye: „Crayon“, Cloudland Records/Semaphore