„Nur Illusion“

■ Shuichi Kato über Hosokawas Kurs

Shuichi Kato, Jahrgang 1919, ist Arzt, Literaturhistoriker und Schriftsteller; er gilt als ein führender Intellektueller Japans.

taz: Sie stritten 38 Jahre lang gegen die von Liberaldemokraten geführten Regierungen. Weshalb bleiben Sie auch heute Regierungskritiker?

Shuichi Kato: Von außen sieht es tatsächlich so aus, als ob Japan von einer Koalitionsregierung regiert würde, die auch die alte Opposition, also vor allem die Sozialisten und die buddhistische Komei-Partei, miteinschließt. In Wirklichkeit aber werden alle Schlüsselministerien von der neokonservativen „Erneuerungspartei“ besetzt, die vollständig aus der alten Regierungspartei hervorgeht. Um die Einheit der Koalition zu bewahren, werden bisher hauptsächlich die Sozialisten zu Kompromissen gezwungen. Die früher sozial und pazifistisch orientierte Komei-Partei hat bereits alle alten Grundwerte aufgegeben. So läßt sich die alte Opposition derzeit völlig von den Konservativen absorbieren. Wir erleben tatsächlich die Geburt einer zweiten konservativen Partei. Diese Regierung ist also im großen Rahmen des Konservatismus nichts anders als ihre Vorgänger, und deshalb stehe ich ihr natürlich kritisch gegenüber.

Hat der Machtwechsel etwas am distanzierten Verhältnis zwischen Volk und Regierung in Japan verändert?

Nein, die Distanz bleibt gleich. Viele Japaner können sich mit Hosokawa identifizieren, weil er nicht rechtslastig und nicht bestechlich ist. Aber der Premierminister funktioniert wie jemand, der die Realität einer weiterhin rechtslastigen Politik verdeckt. In Wirklichkeit ergeht es ihm wie seinem Großvater, Prinz Fumimaro Konoe, der 1937 Premierminister wurde, persönlich kein Militarist war und den Krieg verurteilte. Doch unter Konoe, der mit Unterbrechungen bis 1941 amtierte, lief die Politik vier Jahre lang weiter in den Bahnen der Militärs. Auf ähnliche Art und Weise liefert heute auch Hosokawa nur die Illusion einer neuen Politik. Interview: gb