Auf der Suche nach dem Protestwähler

Neue Parteien wollen zwischen CDU und „Republikanern“ abfischen  ■ Von Hans-Hermann Kotte und Uli Exner

Berlin (taz) – Nicht symbolbeladen in Weimar, sondern „an geheimem Ort“ in Westdeutschland wird der Ex-FDP-Mann Manfred Brunner (46) am Sonntag seinen „Bund freier Bürger“ gründen. Die Protestpartei rechts von der CDU ähnelt vom Format her der österreichischen FPÖ, mit deren Chef Jörg Haider Brunner Auftritte im Europa- und Bundestagswahlkampf machen will.

Wegen Sicherheitsbedenken hatte das Weimarer Hilton-Hotel Brunner und seinen etwa fünfzig Gesinnungsgenossen am Dienstag abgesagt. Zudem hatte der thüringische CDU-Innenminister den „Bund freier Bürger“ als „gefährlicher als Reps oder NPD“ bezeichnet und angekündigt, das Treffen in Weimar durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Dies bezeichnet der „National-Liberale“ Brunner, der nicht nur mit Haider, sondern auch mit Peter Gauweiler befreundet ist, nun gerne als „Skandal“.

Tatsächlich dürften die Äußerungen des thüringischen Innenministers eher ungewollte Wahlkampfhilfe durch die aufgeschreckte CDU/CSU sein, die wegen immer neuer Protestparteien zunehmend nervöser wird. Schließlich ist der „Bund freier Bürger“, so wie andere rechte Ein- Mann-Parteien, auf mediale Aufmerksamkeit und „Mißverständnisse“ im Spannungsfeld zwischen „Tabubruch“ und halbherziger Distanzierung zu den Rechtsextremen angewiesen – man will aus möglichst vielen Wählerreservoirs schöpfen.

Brunner klopft nationalistische Sprüche nett verpackt: Er betont „die Mittelage“ Deutschlands, will, daß deutsche Interessen in „Ost- Mitteleuropa“ gewahrt bleiben, und sieht die „Gleichberechtigung“ Deutschlands in der Europäischen Union gefährdet: Europa nicht als „Bundesstaat“, sondern als „Staatenbund“. Die Deutsche Mark dürfe nicht zugunsten der Einheitswährung ECU aufgegeben werden. Wirtschaftsfreunde will Brunner mit der „Entfesselung der Marktwirtschaft“ ködern: Abschaffung der staatlichen Sozialversicherungen und flächendeckender Tarifverträge.

Außerdem tritt der Bayer für eine „normale Bewertung der deutschen Geschichte“ ein, wie er in dieser Woche bei der Vorstellung seines Programms vor einem Gesprächskreis um die rechten Historiker Rainer Zitelmann und Ernst Nolte sagte.

Brunner, der mit seiner Partei zu den Europa- und Bundestagswahlen antreten will, war 1992 aufgrund seiner Anti-Maastricht-Linie von Bundeskanzler Kohl als Kabinettschef des EG-Kommissars Martin Bangemann (FDP) entlassen worden. Nach der Niederlage seiner Klage gegen den Vertrag von Maastricht vor dem Bundesverfassungsgericht war Brunner bei den Liberalen ausgetreten und hatte zunächst mit der CSU geflirtet. Dann startete der eitel-eloquente Redner seine eigene Partei.

Während Brunner schon von Wahlkampfveranstaltungen mit Jörg Haider (Brunner: „vernünftiger Mann“), dem tschechischen Ministerpräsidenten Vaclav Klaus und Margaret Thatcher redet, fehlt dem „Bund freier Bürger“ noch die breite Basis. „Einige Tausend Interessenten“ hätten sich gemeldet, sagte Brunner dem Spiegel. Das rechte Lager verhält sich vorerst abwartend, wie auch Brunners Auftritt in Berlin zeigte: Ex-Reps und Ex-DVUlern ist der „Euro- Rebell“ nicht emotional genug und zu lasch, Christdemokraten und rechte Liberale fürchten die weitere Zersplitterung der Parteienlandschaft. Rechts- und rechtsradikale Intellektuelle aus dem Umfeld der Blätter Europa Vorn und Nation und Europa können sich ein deutsches „Modell Haider“ allerdings gut vorstellen.

Zum 38köpfigen Gründungsausschuß der Partei gehören stramme Konservative wie der Mannheimer Wirtschaftsprofessor Roland Vaubel, der Hagener Polizeipräsident Günther Steckhan und der Ex-Botschafter in China, Erwin Wickert. Ebenfalls dabei: die Rechtsprofessoren Karl Albrecht Schachtschneider und Hans Heinrich Rupp, die Brunners Maastricht-Klage vor dem Bundesverfassungsgericht vertraten.

Neben der „Inneren Sicherheit“ werde auch die Einwanderungspolitik zu seinen Wahlkampfthemen gehören, sagte Brunner der taz. Das Recht auf Asyl hätte der Ex- FDP-Mann gern als „subjektiven Anspruch“ vollständig „beseitigt“, Einwanderung sei nur akzeptabel, wenn sie „im spezifisch deutschen Interesse“ sei: „Deutschland ist kein Einwanderungsland. Man darf die Integrationskraft der Bevölkerung nicht überschätzen. Einwanderungszurückhaltung ist die Voraussetzung für Ausländerfreundlichkeit.“ Das ist der O-Ton von „Rep-light“, wie der bayerische SPD-Fraktionschef Albert Schmid die Brunner-Partei bezeichnet.

Statt Partei bundesweit?

Die Hamburger Statt Partei entscheidet an diesem Wochenende über eine bundesweite Ausdehnung. Einen entsprechenden Antrag hat Statt-Partei-Gründer Markus Wegner der Mitgliederversammlung der Wählervereinigung vorgelegt. Wegner begründet seine Expansionswünsche mit der „Hoffnung und Erwartung tausender Bürger an eine demokratische Kraft von unten“. Wegners Vorstoß ist innerhalb der Wählervereinigung zwar nicht unumstritten, doch blieben diejenigen Statt-Partei-Mitglieder, die sich gegen eine bundesweite Ausdehnung ausgesprochen haben, bisher in der Minderheit. – Für kontroverse Diskussionen dürfte auch ein Antrag Wegners sorgen, nach dem AusländerInnen aus Nicht-EU-Ländern auch künftig nicht Mitglied in der Statt Partei werden dürfen. Wegner will in der am Wochenende zu beschließenden Satzung das Mitgliedsrecht auf „Personen, die in Deutschland wahlberechtigt sind“, beschränken.