Ein neuer Star?

Erwächst dem Ensemble des Schauspielhauses gerade ein neuer Star? Bereits in „Gerettet“ konnte man die außergewöhnlichen Talente des Martin Lindow bewundern, jetzt, in Edward Albees „Die Zoogeschichte“, das am Freitag über die kleine Bühne der Kantine ging, zeigte sich erneut, daß der junge Schauspieler mit der sanften Stimme und der rheinischen Ausstrahlung mit speziellen Fähigkeiten reichlich gesegnet ist.

Als Drop-Out Jerry, der den schöngeistigen Softie Peter im Park anspricht, ihn mit seiner Lebenswirklichkeit provoziert und mit seiner bauernschlauen Weltsicht fesselt, packt er die Aufmerksamkeit des Publikums mit Gewalt und läßt sie bis zum frenetischen Applaus nicht mehr los.

Lindow spielt den Jerry als jenen Typ des drogensüchtigen Bohemes, wie ihn Kerouac in seinen Beatnik-Romanen beschrieben hat: Schlagfertig, doch voller Komplexe, freiheitsgierig aus einer tiefen Depression heraus, klug trotz fehlender Bildung. Rauchend und wie von innen heraus frierend verführt dieser Jerry den intellektuellen Spießer Peter (Werner Tritzschler) mit verblüffender Menschenkenntnis zu demaskierenden Entäußerungen. Schließlich provoziert er willentlich die Katastrophe, die seine Geschichte von Mensch und Tier, von Einsamkeit und Gefangenheit dem Fremden als geistiges Testament hinterläßt.

Neben Lindows furiosem Monolog, den die Regie von Michael König geschickt und zielsicher kanalisiert, seinen Widerpart Tritzschler nur mit bescheidenen Mitteln zu zeichnen, erweist sich als unbedingter Gewinn für die Dynamik des Stückes. Und die beklemmende Räumlichkeit der winzigen Bühne in der Schauspielhaus-Kantine verstärkt die Konzentration auch atmosphärisch.

Eine nahezu perfekte Inszenierung. Lediglich den musikalischen Abspann von den Rassisten und Schwulenhassern „Guns'n'Roses“ sollte man schleunigst entfernen. Denn so weit sollte die Verwendung von Schönheitsfehlern dann doch nicht reichen.

Till Briegleb