Schneller, größer, weiter

■ Statt Partei votiert für bundesweite Ausdehnung, Ausländer und Jugendliche / Mieses Klima und Parteiaustritte Von Sannah Koch

Euphorie und Resignation, Jubel und Tränen, heiß und kalt: Die Mitgliederversammlung der Hamburger Statt Partei präsentierte sich am Wochenende als Wechselbad der Gefühle. Die neue Devise der Ex-Wählergemeinschaft – schneller, größer, weiter. Mit einer deutlichen Mehrheit machten die Mitglieder ein halbes Jahr nach ihrer Gründung den Weg für eine Beteiligung an den kommenden Bundestagswahlen frei. Im selben Tempo verabschiedete sich die Versammlung auch von einigen ihrer Grundsätze. Es folgten: Parteiaustritte von Gründungsmitgliedern und parteiinternen KritikerInnen. Zuvor hatten sie sich aber in einem Punkt durchgesetzt: Statt Partei bleibt nicht länger ausländerfrei.

Daß es eine Versammlung mit Zoff sein würde, war von vornherein klar: Schließlichen standen mit der Entscheidung über die bundesweite Ausdehnung und grundlegende Satzungsfragen existentielle Diskussionspunkte an. Aber nicht der Streit in der Sache prägte die Debatte, vielmehr entwickelten sich Auseinandersetzungen im Laufe der zwei Tage immer mehr zur persönlichen Anmache. Die Vereinigung, einst unter dem Prinzip der absoluten Meinungsfreiheit nach innen und außen angetreten, buhte ihre Kritiker aus und sparte nicht mit Beleidigungen.

Allen voran Markus Wegner: „Verlaß doch endlich die Partei“ zählte zu den gemäßigten Zwischenrufen, mit denen er seine Gegner bedachte. Als jedoch eine entnervte Frau die Versammlung aufforderte, sich von Wegners Diffamierungen zu distanzieren, wurde sie nur ausgebuht. Doch selbst dem Vorstandsvorsitzenden Dieter Brandes gingen die Ausfälle Wegners zwsichenzeitlich zu weit. „Hören Sie endlich auf, die Versammlung anzupöbeln“, zischte er.

Nur einen inhaltlichen Dämpfer kassierte Wegner: Er hatte beantragt, Ausländern und Jugendlichen unter 18 Jahren die Mitgliedschaft bei Statt Partei zu verwehren. Doch die Versammlung folgte den Appellen derjenigen, die davor warnten, sich mit diesem „unheilvollen Signal in die Nachbarschaft von DVU und Reps“ zu begeben. Anschließend konnte Wegner allerdings wieder durchmarschieren: Er setzte durch, daß laut Satzung jetzt Abgeordnete, die aus der Fraktion austreten, wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen werden können. Dieses „Lex Gundi Hauptmüller“ diene zur Disziplinierung der Abgeordneten und breche zudem mit ihrem Grundprinzip der absoluten Gewissensfreiheit ihrer Abgeordneten, hielten die Kritiker dagegen - erfolglos.

Mit frenetischem Jubel hatte die Versammlung am Samstag ihr Votum für die bundesweite Ausdehnung von Statt Partei gefeiert. Trotz vielfacher Warnungen, dieser Schritt bedeute den Abschied von bürgernaher Politik und führe zur kompletten Überforderung des Hamburger Landesverbandes, hatten 80 Prozent für die Gründung neuer Landesverbände und die Option zur Teilhabe an den Bundestagswahlen votiert. Für einige das Ende der Fahnenstange – mindestens fünf Mitglieder, darunter der Ex-CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Jürgen Warmke, erklärten ihren Parteiaustritt.

Schon gestern erhielten die Wachstumsphantasten einen ersten Dämpfer. Auf Anweisung des Hamburger Landesvorstandes konnte sich Statt Partei Schleswig-Holstein wegen schwerwiegender Satzungsmängel nur mit vorläufiger Satzung konstituieren.

Siehe auch: Seite 5 und 10