Auf der Welle der Euphorie

■ Kunstpassionierte raufen sich zur Aktion „Windwelle“ zusammen: ein Schwimmobjekt für Findorff und ein ganzes Binnenhafenfest für Bremen

In Findorff gibt es einen fiesen Tümpel. 130 mal 60 Meter altes Gammelwasser, umgeben von einer plattgetretenen Wiese namens Hundeklo, eingeklemmt zwischen dem Verkehrslärm der Eickdorfer Straße und einem Bunker. Ältere Anwohner erinnern sich, daß hier noch vor 60 Jahren die Torfschiffe aus dem Teufelsmoor ihre Last löschten: Brenntorf für Bremen. Die Rede ist vom alten Torfhafen, einem städtebaulich unerledigten Stück Bremen an der Stelle, wo Bürgerpark, Bürgerweide und Findorff zusammenstoßen.

Wilhelm Maria Thein hat das Wasser des Torfhafens längere Zeit beobachtet. „Es wird immer klarer,“ stellte er fest, „im Sommer kann man schon bis auf den Grund sehen.“ Die neue Kanalisation am „Stern“ zeigt Wirkung: Der alte Hafen ist nicht mehr länger Überlaufbecken für allerlei schmutziges Oberflächenwasser. Thein, der einen Steinwurf vom Torfhafen entfernt lebt, möchte etwas tun für diesen Ort. Mit den Mitteln seiner Kunst. Seine Kunst: das Biegen von Stäben mithilfe von Spanndrähten zu spannungsgeladenen, in den Raum greifenden Objekten. „Windwelle“ wird das Ding heißen, das ab Sommer auf dem Torfhafen schaukeln wird, gewatige 5,20 Meter hoch wird es mit seinen Nirosta-Armen in den Findorffer Himmel langen, und der Bildhauer hofft, daß daraufhin das ganze Gelände von der Behörde „gartentechnisch neu bewertet wird“.

Die „Windwelle“ ist kein Projekt des Referats „Kunst im öffentlichen Raum“. Sie ist auch nicht das Ergebnis einer Ausschreibung des Ortsamtes. Die Initiative war privat, und sie hat eine Vorgeschichte.

1992 feierte der Bürgerpark seinen 125. Geburtstag. Wilhelm Maria Thein, dem die völlige Abwesenheit von abstrakter Kunst im Bürgerpark aufgefallen war, wollte ihm ein Objekt schenken: die „Windwelle“ für den Emmasee. Er fand auch einen, wie er es nennt, „Stifter“, den Bremer Sanitärhändler Peter Osmers. Alle Genehmigungen waren eingeholt, da schlug eine in Bremen sonst eher zurückhaltende Institution mit Wucht zu: der Denkmalschutz. Keine Verschandelung des Bürgerparks mit Kunst! Schlimm genug schon das abzureißende Kaffeehaus dortselbst! Da war das Projekt gestorben.

Nun realisiert Thein seinen Plan eben ein paar Kilometer weiter. Und zeigt aller Welt, wie man heute, wo das Geld immer knapper wird, doch noch groß rauskommen kann. Regel Nummer 1: keine Berührungsängste! Wenn der Stifter sein Geld mit Edelklos macht, was soll's? Wenn der Professor, der unentgeldlich die mutmaßlichen Schaukelbewegungen des schwimmenden Objektes berechnet hat, sonst bei ERNO Raketentanks plant, na und? Nur keine Gewissensbisse, wenn man den Kriegsschiffbauer Lürssen mit dem Verschweißen der „Windwelle“ beauftragt: Für Thein ist das eine Art Rüstungskonversion.

„Die Leute müssen das Objekt aufregend finden,“ beschreibt Thein seine Methode, lauter freiwillige Helfer zu finden, die ihm die Statik ausrechnen, Baupläne zeichnen und Computersimulationen machen. Selbst die Öffentlichkeitsarbeit macht ihm ein Schweizer Institut. Für den Sommer aber sucht der Künstler wieder „Aufgeregte“, diesmal für ein Fest. Im Juni steigt das Erste Bremer Binnenhafenfest am Torfhafen; maritime Lieder werden erklingen, der Hafensenator wird eine Rede halten, die Kultursenatorin wird das neue Kunstobjekt taufen, es wird Fischbrötchen geben und Ruderboote. So träumt Thein. Gesucht wird einer, der ihm das organisiert.

Burkhard Straßmann