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Das Kap der Waffen

Südafrikas Rüstungsbetriebe setzen auf Export in alle Welt / Auch der ANC erklärt sich aus Arbeitsplatzgründen einverstanden  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Südafrikas Verteidigungshaushalt ist zwar seit 1989 permanent gesunken – aber die mächtige Rüstungsindustrie bereitet sich auf bessere Zeiten vor. In aller Öffentlichkeit drängen die Rüstungsschmieden vom Kap auf den Weltmarkt. „Wir haben schon zu Apartheid-Zeiten auf dem Exportmarkt an dreißig Länder verkauft“, sagt Paul Holtzhausen, Sprecher des Denel-Konzerns, „aber jetzt ist es leichter, auf dem Weltmarkt zu konkurrieren.“

Auf einer Flugschau Ende letzten Jahres in Dubai führten Piloten eines der Prunkstücke der südafrikanischen Rüstungsindustrie vor: Der „Rooivalk“-Angriffshubschrauber. 30 bis 35 Millionen Mark soll das Gerät kosten, das ursprünglich für die südafrikanische Armee entwickelt worden war. Aber seit dem Beginn der Reformen unter Präsident Frederik W. de Klerk wurden die Mittel drastisch zusammengestrichen. Laut General Pierre Steyn, dem kürzlich ausgeschiedenen Generalstabschef der Streitkräfte, werden gegenwärtig am Kap 2,6 Prozent des Bruttosozialprodukts für Militärzwecke ausgegeben; 1989 waren es noch 4,2 Prozent von rund neunzig Milliarden US-Dollar gewesen.

„Wir bemühen uns um alle Märkte“, so Holtzhausen. Afrika sei vor allem für kleinere Waffen interessant. Europa, der Nahe und Ferne Osten kämen hingegen für komplette Waffensysteme in Frage. Auf der Idex-Waffenschau in Abu Dhabi im vorletzten Jahr machten die Südafrikaner wieder einmal großen Eindruck mit den G-5- und G-6-Artilleriegeschützen. Kein anderes Gerät der Welt schießt so weit und so genau wie die diese beiden Kanonen. Entwickelt worden waren sie für den Angola-Krieg, weil Südafrika dort die Luftüberlegenheit gegen Kubaner und Sowjets verloren hatte.

Bis zum 1. April 1992 hatte Südafrika die Rüstungsindustrie unter dem Dach von Armscor vereint. Der Konzern ist immer noch damit beschäftigt, Lizenzen für den Export zu vergeben und neue Waffen für die südafrikanische Armee und Polizei zu beschaffen und zu entwickeln. Inzwischen aber wurden 14.000 Mitarbeiter in dem neuen halbstaatlichen Konzern Denel zusammengefaßt. Von 1,4 Milliarden Mark Umsatz im Rechnungsjahr 1992/1993 wurden 55 Prozent auf dem südafrikanischen Markt eingenommen; neun Prozent wurden mit nichtmilitärischen Gütern verdient.

Das Land entwickelte die eigene Rüstungsindustrie einst als Antwort auf seine politische Isolation. Ihre Aufrechterhaltung rechtfertigt Ex-Generalstabschef Pierre Steyn heute mit dem Argument: „Südafrika wird de facto eine führende Regionalmacht bleiben und eine große Rolle bei der Sicherstellung der Stabilität im südlichen Afrika spielen.“ Eine eigene Rüstungsindustrie, die über den Verkauf von Produkten an die Nachbarn Bindungen stärkt, könne da nur von Nutzen sein. Und: Die eigenen Waffenschmieden machen Regionalpolitik auch künftig ein Stück weit unabhängig vom Druck der Supermacht USA.

Dieser Meinung hat sich offenbar auch der African National Congress (ANC) angeschlossen. Tokyo Sexwale, Vorsitzender in der Region Johannesburg, verteidigte die südafrikanische Rüstungsindustrie mit den Worten: „Sie sichert Arbeitsplätze und bringt Devisen.“ Der Satz deckt sich fast völlig mit Aussagen von Tielman de Waal, dem Chef von Armscor: „Die Verteidigung und die Bergwerksindustrie waren lange Zeit die einzigen Wirtschaftskräfte Südafrikas, die für Erneuerung gesorgt haben.“ Der Fortbestand der Rüstungsindustrie müsse deshalb auch in Zukunft sichergestellt werden.

Der Bedarf – 1992 wurden weltweit Waffen für 23 Milliarden Dollar an die Dritte Welt, neun Milliarden nach Afrika exportiert – besteht freilich nicht nur international. Südafrikas Streitkräfte benötigen nach Ansicht der amtierenden Generäle in den nächsten 10 bis 15 Jahren eine totale Überholung ihrer Ausrüstung. Mittlerweile wurden auch die ersten Rooivalk- Hubschrauber gekauft. Vor zwei Jahren war die Anschaffung noch dem Rotstift zum Opfer gefallen. Südafrikas Marine besitzt dank des Sparzwangs angeblich keine „Deep Blue“-Fähigkeiten mehr – sie sei außerstande, auf Hoher See zu agieren, heißt es. Auch die französischen Mirage-Düsenjäger sind nach Ansicht der Generäle reif fürs Museum.

Woher die Gelder für Neuanschaffungen kommen sollen, ist ungewiß. Tendenziell soll der Rüstungshaushalt auf zwei Prozent des Bruttosozialprodukts zusammengestrichen werden, um die Richtlinien des Weltwährungsfonds zu erfüllen. Die Umrüstung ist deshalb im Rahmen eines neuen Konzepts geplant: Südafrikas Streitkräfte sollen künftig eine relativ kleine, hochmobile Eingreiftruppe sein, die genau wie bisher auch außerhalb der Landesgrenzen einen möglichen Feind abwehren kann. Gegenwärtig werden die Soldaten freilich noch immer vorwiegend im Innern zur Unterstützung der Polizei eingesetzt.

Allen Unwägbarkeiten zum Trotz aber scheint der südafrikanische Waffenmarkt auch für das Ausland attraktiv zu sein. Britische Firmen verhandeln bereits mit de Klerks Leuten und dem ANC, um noch vor Aufhebung des Waffenembargos gegen Südafrika neue Rüstungsgüter liefern zu können. Der Grund: Jeder Marktvorsprung ist beim Geschäft mit dem Tod nützlich.

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