Das neue Steuerparadies an der Saar

■ Mit der Steueraffäre Zwick gerät die saarländische SPD zunehmend ins Zwielicht

Saarbrücken (taz) – Das nennt man(n) noch wahre Solidarität: Wenn sich Angestellte wie ein Mann hinter ihren Chef stellen. So geschehen im saarländischen Zwick-Konzern: 500 Mitarbeiter des in Bad Füssing und Saarbrücken residierenden Bäderimperiums verbürgten sich letzte Woche persönlich per Unterschrift für ihren unter Verdacht der Steuerhinterziehung inhaftierten Boß. Bei Erklärungen will es die Firmentruppe aber nicht belassen: Für die (noch nicht festgesetzte) Kaution von Johannes Zwick wird im Betrieb bereits gesammelt.

In selbstloser Manier hatte Zwick seine Firmenzentrale im Juni 1989 von Bayern ins wirtschaftlich ausgebrannte Saarland verlegt, um dort neue Arbeitsplätze zu schaffen. Auf einen Blick erkannte der sich sozial gerierende Unternehmer, wo die Not am größten ist: in der nordsaarländischen Heimat von Finanzminister Hans Kasper (SPD). Dort ließ Zwick seine Großinvestition, eine Rehaklinik mit dem Beinamen „Oase der Gesundheit“, errichten. Bei der Bauwirtschaft der Region führte das 120-Millionen-Mark- Projekt zu einem wahren Goldrausch. Der Klinikbetrieb selbst sichert 250 Arbeitsplätze – ein Verdienst, das sich die mit Ansiedlungserfolgen nicht gerade verwöhnte Landesregierung gern anheftet. Zur Klinikeröffnung war dann gar Oskar Lafontaine persönlich anwesend. Bei Champagner und Büffet lobte der Ministerpräsident vor allem seinen Finanzminister: „Ohne ihn wäre diese Investition nicht hierhergekommen.“ Inzwischen wird die Hilfe von Kaspers Finanzministerium für Zwicks Unternehmen „Johannesbad AG“ jedoch zu einer Belastung für die saarländische SPD- Landesregierung. Aus der „Oase der Gesundheit“ wurde längst die „Steueroase Saar“.

Schon in Bayern erging es der Zwick-Familie in steuerlicher Hinsicht nicht gerade schlecht. Der Freistaat verzichtete lange auf die Eintreibung einer Steuerschuld von 70 Millionen Mark. Inzwischen will der bayerische Fiskus das Geld zwar wiederhaben, doch das ist gar nicht so einfach. Eine gute Gelegenheit, die Schulden einzutreiben, hätte sich 1987 geboten: Da verkaufte Zwick-Vater Eduard die Aktien seines Bäderimperiums an die Stuttgarter Firma Fitelec. Doch die bayerischen Behörden, die das Aktienpaket hätten pfänden können, verpaßten den Zugriff. Wenige Monate später wurde die Fitelec (und damit das Bäderunternehmen) von der neugegründeten „Gesundheits- und Fitness-AG“ (Gefit) für 110 Millionen Mark aufgekauft. Die Gefit gehört nun dem Ehepaar Johannes und Sabine Zwick.

Auch mit dem neuen Firmensitz der Johannesbad AG in Saarbrücken kann Zwick junior zufrieden sein: Als eine ihrer ersten Amtshandlungen erlassen die saarländischen Finanzbehörden dem Konzern 1989 die Gewerbesteuer. Das geschieht zu Lasten der niederbayerischen Gemeinde Bad Füssing sogar rückwirkend für die Jahre 1983 bis 1988. Erst nachdem mehrere Gerichte die Aktion als rechtswidrig einstufen, werden die Bescheide korrigiert. Auch bei der Umsatzsteuerbehandlung des Unternehmens hat der Landesrechnungshof eine großzügige Praxis ausgemacht. Eine weitere Verquickung zwischen Minister und Johannesbad AG: Kaspers langjähriger persönlicher Referent Erich Müller ließ sich im Finanzministerium Parteispenden des Zwick-Konzerns zugunsten der SPD in Höhe von 15.000 Mark überbringen.

Die Zwick-Ermittlungen bringen Kaspers Finanzministerium immer stärker in die Klemme: Die Behörde hatte, wie ein interner Vermerk beweist, bereits im April 1992 Anhaltspunkte für mögliche illegale Steuertricks der Familie Zwick. Statt aber Staatsanwaltschaft oder Steuerfahndung einzuschalten, wurde der Verdacht in Saarbrücken unter den Teppich gekehrt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen möglicher Strafvereitelung innerhalb der saarländischen Finanzverwaltung.

Die Landesregierung sieht sich unterdessen einer Verleumdungskampagne ausgesetzt. „Potentielle Investoren“, so Finanzminister Kasper, „werden hier nach Recht und Gesetz behandelt, aber in einem wirtschaftsfreundlichen Klima.“ Vorwürfe, die Johannesbad AG habe ihren Sitz allein wegen der Steuerpraxis ins Saarland verlegt, entbehrten jeder Grundlage.

Große Standortvorteile konnte Zwick junior im Saarland jedenfalls nicht erwarten. Als Unternehmenszweck des Konzerns ist im Handelsregister eingetragen: „Betrieb der Krankenanstalten Johannesbad zur Durchführung von stationären, teilstationären und ambulanten Krankenhaus-, Reha-, Vorsorge- und Kurbehandlungen jeder Art im Landkreis Passau (!) sowie die Vornahme der damit zusammenhängenden und dazu zweckdienlichen Maßnahmen“. Frank Thewes