Im Vollrausch des eigenen Erfolgs

Seit dem Wochenende ist die bundesweite Ausdehnung der Statt Partei beschlossene Sache / Per Bundes- satzung wollte Parteichef Wegner Ausländern Zutritt zur Partei verwehren  ■ Aus Hamburg Sannah Koch

Hamburg (taz) – Eine Stimmung wie auf dem Fußballplatz brandete am Samstag auf der Mitgliederversammlung der Hamburger Statt Partei auf: „Jetzt geht's los“, skandierte eine Gruppe der Politneulinge im Taumel der ganz anderen Art – im Vollrausch des eigenen Erfolgs. Mit einer deutlichen Zweidrittelmehrheit hatte die Parteiversammlung zuvor den Weg für eine bundesweite Ausdehnung von Statt Partei und deren mögliche Beteiligung an der Bundestagswahl freigegeben.

Die konsequente Fortführung eines politischen Reifungsprozesses im Zeitraffertempo: Erst im vergangenen Sommer hatte sich die bürgerliche Wählervereinigung um Ex-CDU-Rebell Markus Wegner im Hauruckverfahren gegründet, knapp drei Monate später war sie mit 5,6 Prozent ins Hamburger Landesparlament eingezogen und wenige Wochen darauf bereits von den Sozialdemokraten in ein Regierungsbündnis hineinverhandelt worden. Nun wollen die Wolkenstürmer, die gegen Politikverdrossenheit und für mehr Bürgernähe angetreten sind, auch zu den Sternen am Bundeshimmel greifen.

Unumgänglich sei dieser Schritt, so die Begründung des Hamburger Landesvorstands, weil Tausende von Anfragen gründungswilliger Interessenten aus anderen Bundesländern die politische Arbeit vor Ort nahezu blockiert haben. Aber auch die Sorge um das Copyright für den Namen Statt Partei treibt den Vorstand seit dem überraschenden Wahlerfolg im September um – hatte er doch in den vergangenen Wochen immer häufiger mit Verfügungen gegen unliebsame Statt-Partei- Gründungen in anderen Ländern vorgehen müssen.

Das Sprinttempo ist unter den Mitglieder der bürgerlichen Protestpartei allerdings nicht unumstritten – inzwischen pflastern bereits zahlreiche Leichen den Hamburger Weg. Darunter auch etliche Prinzipien, mit denen die Wählervereinigung angetreten war: Da wurde die über alles gepriesene Gewissensfreiheit der Abgeordneten im Regierungsvertrag durch „Fraktionsdisziplin“ ersetzt, die proklamierte Transparenz in den Koalitionsverhandlungen erst gar nicht praktiziert, interne Kritiker immer häufiger auf Versammlungen ausgebuht und eine Abgeordnete, die aus Protest gegen den Koalitionsvertrag aus der Bürgerschaftsfraktion ausgetreten war, postwendend aus der Partei geschmissen.

Zuvor hatten die selbsternannten „Querdenker“ in den Koalitionsverhandlungen bereits gänzlich darauf verzichtet, der SPD Steine in den Weg zu legen – sie hatten das sozialdemokratische Regierungspaket widerstandslos durchgewunken.

Die Mahnung der Kritiker, die bundesweite Ausdehnung sei der endgültige Abschied von der bürgernahen Politik und zudem eine komplette Überforderung der wenigen Aktivisten in Hamburg, wurde von der Versammlung aber komplett ignoriert. Der Erfolgsrausch scheint vielmehr die Fähigkeit zur Selbstkritik völlig verschüttet zu haben.

Statt dessen schlug die Stunde der Euphorie: „Wenn unsere Leitgedanken erst durchgesetzt sind, haben wir eine andere Republik“, so jubilierte ein Vorstandsmitglied. Die folgende Abstimmung forderte ein weiteres Tribut: Zahlreiche Mitglieder aus der Gruppe der Opponenten erklärten resigniert ihren Parteiaustritt.

In einem Punkt widersprach die Versammlung jedoch dem Landesvorstand und Markus Wegner: Sie lehnte deren Entwurf einer Bundessatzung ab, mit der Ausländern und Jugendlichen die Mitgliedschaft in der Statt Partei verwehrt werden sollte.