: 25 Millionen Mark gasen in den Himmel
■ Im Ostteil „verschwindet“ ein Zehntel des gesamten Erdgases / Großteil entweicht aus undichten Leitungen
In Ostberliner Leitungen verschwindet weit mehr Erdgas als bisher angenommen: Hatte Betriebesenator Herwig Haase (CDU) auf Anfrage der Grünen die Verluste 1991 noch auf „durchschnittlich fünf bis sechs Prozent“ beziffert, teilte er auf eine erneute Anfrage der Fraktion jetzt mit, daß 1992 rund ein Zehntel des aus Sibirien kommenden Erdgases zwischen Berliner Stadtgrenze und Verbraucher verlorengingen. Der Verlust von rund 50 Millionen Kubikmetern Erdgas kostet die Gasag – das Land Berlin ist Alleinaktionär – jährlich 25 Millionen Mark. Daß weit mehr Gas entweicht als bislang angenommen, erklärt Verwaltungssprecher Tomas Spahn damit, daß bislang die Differenz geschätzt wurde, seit neuestem aber gemessen werde. Der Abgeordnete Hartwig Berger, der die Anfrage gestellt hatte, fordert nun, daß die Sanierung der undichten, 790 Kilometer langen Graugußleitungen nicht bis in das Jahr 2000 andauern dürfe. Dabei geht es dem Grünen auch um die Minderung der Explosionsgefahr. Außerdem würden durch das in den Boden entweichende Methan massig Straßenbäume absterben. Und weil das Gas mit seinem Treibhauseffekt die Erdatmosphäre aufheize, sei Berlin besonders gefordert, da im Frühjahr kommenden Jahres die Stadt zum Rio-Folge-Gipfel – der Weltklima-Konferenz – lädt.
Im vergangenen Jahr wurden 113 Millionen Mark ausgegeben, in diesem Jahr sollen 125 Millionen Mark für die Sanierung des Netzes bezahlt werden, das mit den Westberliner Leitungen nicht verbunden ist. Seit 1991 sind 120 Kilometer abgedichtet worden. In der Regel wurden in die Leitungen Schläuche ähnlich denen der Feuerwehr eingezogen.
Dieter Ludwig, Sprecher der Gasag, erklärt die Undichte des Ostberliner Netzes mit der Umstellung von Stadt- auf Erdgas. Letzteres müsse mit höherem Druck befördert werden und sei außerdem trockener. Dadurch würden die auf Feuchtigkeit angewiesenen Dichtungen zwischen den zusammengesteckten Rohren undicht. Ludwig schätzt, daß vier Prozent des Gases aber durch Rechenfehler verlorengehen. Schließlich könnten nicht an einem Tag die Zähler aller Kunden abgelesen werden, und in manchen Häusern müsse der Verbrauch – mangels Ablesegerät – geschätzt werden. Die Dauer der Sanierung begründet der Gasag-Sprecher damit, daß nicht genügend Firmen qualifiziert seien.
Abgeordneter Berger widerspricht dieser Behauptung: „Angebote von British Gas wurden abgelehnt.“ Die Engländer durften, warum auch immer, nur bis Mitte letzten Jahres helfen – damals fusionierten Erdgas AG (Ost) und Gasag (West). Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen